Leitsatz
Die Gebühr für die gütliche Erledigung gem. Nr. 207 GvKostG fällt nach dem eindeutigen Wortlaut der Nachbemerkung zu Nr. 207 GvKostG nur dann nicht an, wenn eine Beauftragung mit einer Maßnahme nach § 802a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 4 ZPO vorliegt. Die fragliche Formulierung ist einer abweichenden Auslegung nicht zugänglich. Es handelt sich um einen Ausnahmetatbestand, der grundsätzlich eng auszulegen ist.
OLG Düsseldorf, 27.3.2014 – 10 W 33/14
1 I. Die Entscheidung
Versuch der gütlichen Erledigung
Der GV hat die Gebühr gemäß Nr. 207 GvKostG zu Recht erhoben. Er hat den Versuch einer gütlichen Erledigung der Sache unternommen. Entsprechend der Nachbemerkung zu Nr. 207 GvKostG entsteht die Gebühr in einem derartigen Fall nur dann nicht, wenn der Gerichtsvollzieher gleichzeitig mit einer auf eine Maßnahme nach § 802a Abs. 2 S. 1 Nr. 2 und 4 ZPO gerichteten Amtshandlung beauftragt ist.
Ausnahme für den Gebührenanfall
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, denn der GV war nur mit der Abnahme der Vermögensauskunft durch den Schuldner (§ 802a Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO), nicht aber auch mit der Pfändung und Verwertung körperlicher Sachen (§ 802a Abs. 2 S. 1 Nr. 4 ZPO) beauftragt. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Nachbemerkung zu Nr. 207 GvKostG fällt die Gebühr für die gütliche Einigung aber nur dann nicht an, wenn eine Beauftragung mit einer Maßnahme nach § 802a Abs. 2 S. 1 Nr. 2 und 4 ZPO vorliegt.
"Und" oder "oder"?
Einer abweichenden Auslegung ist die fragliche Formulierung nicht zugänglich. Es handelt sich um einen Ausnahmetatbestand, der grundsätzlich eng auszulegen ist (vgl. BGH NJW 1985, 2526). Auch die Gesetzesmaterialien (BT-Drucks 16/10069, S. 48; BR-Drucks 304/08, S. 106 f) lassen keinen eindeutigen Schluss darauf zu, dass tatsächlich beabsichtigt war, dass der Aufwand für den Versuch einer gütlichen Erledigung durch die Gebühr für die Einholung der Vermögensauskunft oder für die Pfändung mit abgegolten sein sollte. Gleiches gilt, soweit in der Nachbemerkung zu Nr. 207 GvKostG von "einer … Amtshandlung", nicht aber von (mehreren) "Amtshandlungen" die Rede ist; denn die Einholung der Vermögensauskunft und die Pfändung können im Rahmen einer einheitlichen Amtshandlung erfolgen (vgl. § 807 Abs. 1 ZPO).
2 II. Der Praxistipp
OLG lässt Präzision vermissen
Die Entscheidung des OLG kann in keiner Weise überzeugen und wird der vollstreckungsrechtlichen Problematik nicht gerecht. Das mag auch damit zusammenhängen, dass hier ein üblicherweise nicht mit Vollstreckungssachen befasster Senat entschieden hat:
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Der Wortlaut ist ein wichtiger, aber nicht der einzige Auslegungsgesichtspunkt. Neben ihm sind auch der Sinn- und Zweck der Regelung, der systematische Zusammenhang und die Gesetzgebungsgeschichte zu beachten. Eine daran orientierte systematische Rechtsprüfung wird vermisst. |
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Wie sich aus der Gesetzesbegründung eindeutig ergibt, wollte der Gesetzgeber in den Fällen keine zusätzliche Gebühr entstehen lassen, in denen die gütliche Einigung nach altem Recht gebührenfrei war (§§ 806b, 813a und b, 900 Abs. 3 ZPO a.F.). Bei der Formulierung "und" in der Anm. zu Nr. 207 KVGvKostG handelt es sich deshalb um ein redaktionelles Versehen, was sich aus dem Umstand erklärt, dass nach altem Recht – wegen § 807 Abs. 1 Nr. 1 ZPO a.F. meist zwingend – kombinierte Anträge gestellt wurden. Das neue Recht verlangt aber keine fruchtlose Sachpfändung mehr als Voraussetzung der Abnahme der Vermögensauskunft. |
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Das OLG übersieht, dass ein Auftrag mit mehreren Angelegenheiten vorliegen kann. Sicher stellen die Sachpfändung und die Abnahme der Vermögensauskunft aber keine einheitliche Amtshandlung bzw. Angelegenheit dar. Deshalb trifft auch das Auslegungsergebnis nicht zu. |
Abweichende Rechtsprechung beachten
Der Gläubiger sollte sich weiterhin an der richtigen Rechtsprechung der Beschwerdegerichte, die den fachlichen Fragen der Zwangsvollstreckung viel näher stehen, orientieren (LG Freiburg FoVo 2014, 113 = DGVZ 2014, 105; LG Dresden JurBüro 2014, 269; LG Leipzig DGVZ 13, 189). Wenn GV sich nunmehr auf die unzureichend begründete Entscheidung des OLG berufen, sollte der Rechtsweg bestritten und die Zulassung der Rechtsbeschwerde beantragt werden, um eine höchstrichterliche Entscheidung herbeizuführen.
FoVo 8/2014, S. 179 - 180