Leitsatz
Hat sich der Schuldner in einem Prozessvergleich zur Unterlassung verpflichtet, kann der Gläubiger grundsätzlich auch dann einen Antrag auf gerichtliche Androhung von Ordnungsmitteln nach § 890 Abs. 2 ZPO stellen, wenn der Schuldner im Vergleich eine Vertragsstrafe versprochen hat.
Die gerichtliche Androhung von Ordnungsmitteln setzt in einem solchen Fall nicht voraus, dass der Unterlassungsschuldner bereits gegen die im Prozessvergleich titulierte Unterlassungspflicht verstoßen hat.
BGH, 3.4.2014 – I ZB 3/12
1 I. Der Fall
Prozessvergleich mit Vertragsstrafenversprechen
Die Parteien sind Wettbewerber und schlossen zur Beendigung eines Verfahrens der einstweiligen Verfügung einen Prozessvergleich, in dem sich die Beklagte verpflichtete, bestimmte Äußerungen zu unterlassen, und für den Fall des Verstoßes ein Vertragsstrafenversprechen abgab.
Verstoß gegen Unterlassengebot wird behauptet
Die Gläubigerin hat behauptet, die Schuldnerin habe gegen die Unterlassungsverpflichtung aus diesem Vergleich verstoßen. Sie hat beantragt, der Schuldnerin und ihren Geschäftsführern für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die im Prozessvergleich vom 15.1.2009 enthaltene Unterlassungsverpflichtung Ordnungsmittel gemäß § 890 Abs. 2 ZPO anzudrohen. Während das LG den Antrag abgelehnt hat, hat das OLG ihm entsprochen.
2 II. Die Entscheidung
Androhung vor Vollstreckung
Das OLG hat zu Recht angenommen, dass der Antrag auf Androhung von Ordnungsmitteln gemäß § 890 Abs. 2 ZPO zulässig ist. Nach der Vorschrift des § 890 Abs. 2 ZPO muss der Verhängung eines Ordnungsmittels nach § 890 Abs. 1 ZPO eine entsprechende Androhung vorausgehen, die, wenn sie nicht in dem die Verpflichtung aussprechenden Urteil enthalten ist, auf Antrag vom Prozessgericht des ersten Rechtszuges erlassen wird. Die gerichtliche Androhung soll dem Schuldner die möglichen Folgen eines Verstoßes gegen das Unterlassungsgebot deutlich vor Augen führen und ihn dadurch anhalten, die Unterlassungspflicht zu befolgen (BGHZ 156, 335; BGH GRUR 2012, 957).
Keine Aufnahme in Vergleich
Zu Recht ist das OLG davon ausgegangen, dass eine entsprechende Androhung nicht wirksam in den Prozessvergleich selbst aufgenommen werden kann, sondern auf Antrag durch gerichtlichen Beschluss zu erfolgen hat (BGH GRUR 2012, 957 m.w.N.).
Vertragsstrafe vs. Ordnungsmittel
Der Antrag auf Androhung von Ordnungsmitteln nach § 890 Abs. 2 ZPO ist nicht deshalb unzulässig, weil sich die Schuldnerin im Prozessvergleich strafbewehrt zur Unterlassung verpflichtet hat. Für den Antrag auf gerichtliche Androhung von Ordnungsmitteln gemäß § 890 Abs. 2 ZPO fehlt es nicht an dem erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis, weil die Unterlassungspflicht der Schuldnerin bereits durch das Vertragsstrafeversprechen hinreichend abgesichert ist und deshalb aus Rechtsgründen eine zusätzliche Verhängung von Ordnungsmitteln nach § 890 ZPO generell nicht in Betracht kommt. Die Verwirkung einer Vertragsstrafe und die Verhängung eines Ordnungsmittels nach § 890 ZPO schließen sich nicht unter dem Gesichtspunkt der Spezialität aus.
Unterschiedlichen Regelungszweck sehen
Beide Sanktionen regeln unterschiedliche Sachverhalte. Während das Ordnungsgeld im Sinne von § 890 ZPO eine strafähnliche Sanktion für die Übertretung des gerichtlichen Verbots darstellt, ist die Vertragsstrafe im Sinne von § 339 BGB eine schuldrechtlich vereinbarte Leistung zur Sicherung der Vertragserfüllung und zur Schadenspauschalierung. In der Vollstreckung nach § 890 ZPO kommt es allein auf das Verschulden des Schuldners an, wohingegen er im Rahmen des Unterlassungsvertrages gemäß § 278 BGB ohne Entlastungsmöglichkeit auch für seine Erfüllungsgehilfen einzustehen hat. Beide Sanktionen können deshalb grundsätzlich vom Gläubiger nebeneinander geltend gemacht werden (BGHZ 138, 67, 70 m.w.N.; BGH GRUR 2010, 355; BGH GRUR 2012, 957).
Keine Regelauslegung zum Gläubigernachteil
Ein Vergleich mit Vertragsstrafenversprechen ist nicht generell dahingehend auszulegen, dass der Gläubiger die Vertragsstrafe als alleinige Sanktion akzeptiert habe und sich daran festhalten lassen müsse. Die Parteien eines Rechtsstreits können allerdings grundsätzlich vollstreckungsbeschränkende Vereinbarungen treffen. Da aber die Bestimmung des § 890 ZPO und ein Vertragsstrafeversprechen zwar jeweils den gemeinsamen Zweck verfolgen, den Schuldner von Zuwiderhandlungen abzuhalten (BGH GRUR 2010, 355), im Übrigen jedoch – wie bereits ausgeführt – unterschiedliche Sachverhalte regeln, können beide Sanktionen nebeneinander durchaus sinnvoll sein und parallel geltend gemacht werden. Es besteht daher regelmäßig kein Anlass anzunehmen, dass die Parteien sich ausschließlich auf die Sanktion der Vertragsstrafe festgelegt haben. Dem stehen auch keine berechtigten Schuldnerinteressen entgegen. Eine übermäßige Beanspruchung des Schuldners durch eine doppelte Inanspruchnahme wird dadurch vermieden, dass die jeweils früher verhängte Sanktion bei der Höhe der jeweils späteren zu berücksichtigen ist. Außerdem kann der Schuldner der Doppelsanktion von vornher...