Leitsatz
Eine in einem Mietvertrag mit fester Laufzeit als Einmalzahlung vereinbarte und vor der Beschlagnahme vollständig gezahlte Miete ist den Hypothekengläubigern gegenüber gemäß § 1124 Abs. 2 BGB insoweit unwirksam, als sie sich auf die (fiktive) anteilige Miete für eine spätere Zeit als den zur Zeit der Beschlagnahme laufenden Kalendermonat (beziehungsweise bei Beschlagnahme nach dem fünfzehnten Tag des Monats für eine spätere Zeit als den ersten Monat nach der Beschlagnahme) bezieht.
BGH, 30.4.2014 – VIII ZR 103/13
1 I. Der Fall
Erst Zwangsversteigerung, dann Zwangsverwaltung
Der Beklagte zu 2 war ursprünglich Eigentümer des Grundstücks. Er bewohnt das dort gelegene Haus gemeinsam mit seiner Ehefrau, der Beklagten zu 3. Nachdem im Jahr 2004 das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Beklagten zu 2 eröffnet worden war, ordnete das AG die Zwangsversteigerung des Grundbesitzes an. Der Zuschlag wurde dem Ersteher zu einem Gebot von 160.000 EUR erteilt. Dieser hinterlegte einen Betrag in Höhe von 22.000 EUR; weitere Zahlungen leistete er auf das Gebot nicht. Daraufhin wurde von einem Grundpfandgläubiger – neben einem erneuten Zwangsversteigerungsverfahren – ein Zwangsverwaltungsverfahren über den Grundbesitz eingeleitet.
Vermeintliche Vorauszahlung der Miete an den Ersteher
Die Beklagten zu 2 und 3 berufen sich gegenüber dem klagenden Zwangsverwalter auf einen mit ihrer Tochter, der Beklagten zu 1, geschlossenen Untermietvertrag über das Grundstück sowie darauf, dass die Tochter mit dem Ersteher einen Festmietvertrag über das Grundstück für den Zeitraum vom 1.9.2009 bis zum 31.8.2015 abgeschlossen und die für diesen Zeitraum vereinbarte Miete von 35.000 EUR am selben Tag an den Ersteher gezahlt habe.
Zwangsverwalter möchte monatliche Miete
Der Kläger forderte die Beklagte zu 1 erfolglos zur Zahlung eines ortsüblichen Nutzungsentgelts in Höhe von monatlich 900 EUR ab Dezember 2009 auf und kündigte im Februar 2010 das Mietverhältnis fristlos wegen Zahlungsverzugs. Er nimmt die Beklagten nunmehr auf Räumung und Zahlung rückständigen Mietzinses in Anspruch. Das AG hat die Klage abgewiesen, das LG nur die Beklagte zu 1) zu einer geringfügigen Zahlung verurteilt. Hiergegen richtet sich die Revision des Zwangsverwalters.
2 II. Die Entscheidung/Der Praxistipp
Nehmen Sie die Vollstreckungsvereitelung nicht hin
Der BGH folgt den Vorinstanzen nicht und bleibt seiner Linie treu, zunehmenden Versuchen der Schuldner, Maßnahmen der Immobiliarzwangsvollstreckung zu vereiteln, entgegenzutreten (vgl. etwa zur Vereitelung durch einen Scheinmietvertrag BGH v. 18.9.2013 – VIII ZR 297/12). Der vorliegende Fall betrifft nun eine Variante eines Schuldners.
Hinweis
Denken Sie daran, dass der persönliche Gläubiger sehr schnell zum dinglichen Gläubiger werden kann, wenn seine Forderung den Betrag von 750 EUR übersteigt und er sich nach §§ 866 Abs. 3, 867 ZPO eine Zwangssicherungshypothek eintragen lässt. Damit steigt er in einer Immobiliarzwangsversteigerung oder -verwaltung zugleich von der – regelmäßig ausfallenden – Rangklasse des § 10 Abs. 1 Nr. 5 ZVG in die Rangklasse 5 auf. Ein weiterer Vorteil: Nachrangige Kleingläubiger werden regelmäßig von den vorrangigen Großgläubigern mit einer "Lästigkeitsprämie" ausgelöst, damit diese die Chance auf eine freie Veräußerung bekommen.
Vorausverfügung ist unwirksam
Das LG hat zutreffend angenommen, dass die Zahlung des Betrages von 35.000 EUR an den ursprünglichen Vermieter als Vorausverfügung gemäß § 1124 Abs. 2 Hs. 2 BGB dem Kläger gegenüber unwirksam ist, soweit sie sich auf die Miete ab Januar 2010 bezieht. Dem Kläger steht deshalb der in der Revisionsinstanz noch streitige Zahlungsanspruch (je 486,11 EUR für die Monate Januar und Februar 2010) zu.
Im Wortlaut: § 1124 BGB
(1) Wird die Miete oder Pacht eingezogen, bevor sie zugunsten des Hypothekengläubigers in Beschlag genommen worden ist, oder wird vor der Beschlagnahme in anderer Weise über sie verfügt, so ist die Verfügung dem Hypothekengläubiger gegenüber wirksam. Besteht die Verfügung in der Übertragung der Forderung auf einen Dritten, so erlischt die Haftung der Forderung; erlangt ein Dritter ein Recht an der Forderung, so geht es der Hypothek im Range vor.
(2) Die Verfügung ist dem Hypothekengläubiger gegenüber unwirksam, soweit sie sich auf die Miete oder Pacht für eine spätere Zeit als den zur Zeit der Beschlagnahme laufenden Kalendermonat bezieht. Erfolgt die Beschlagnahme nach dem fünfzehnten Tag des Monats, so ist die Verfügung jedoch insoweit wirksam, als sie sich auf die Miete oder Pacht für den folgenden Kalendermonat bezieht.
Nicht voreilig einen Rechtsirrtum annehmen
Zu Unrecht hat das LG hingegen angenommen, dass sich die Beklagte zu 1 zumindest bis zur Verkündung des Urteils im Berufungsverfahren in einem unverschuldeten Rechtsirrtum über ihre Verpflichtung zur Zahlung von Miete an den Kläger befunden habe und deshalb die vom Kläger gegenüber der Beklagten zu 1 ausgesprochenen Kündigungen wegen Zahlungsverzugs sowie der hierauf gestützte Räumungsanspruch gegen die Beklagten zu 1 bis 3 un...