Die Ausgangsentscheidungen halten einer rechtlichen Nachprüfung durch den BGH nicht stand.
Notwendiger Unterhalt = individuelles Sozialhilfeniveau
Zutreffend geht das LG davon aus, dass bei der nach § 850d ZPO erfolgten Pfändung von Arbeitseinkommen der unpfändbare notwendige Unterhalt des Schuldners im Sinne von § 850d Abs. 1 S. 2 ZPO grundsätzlich dem notwendigen Lebensunterhalt im Sinne des 3. und 11. Kapitels des SGB XII entspricht (BGH, 25.10.2012 – VII ZB 12/10 Rn 11 m.w.N., BGHZ 195, 224; BGH NJW-RR 2018, 1272).
Wie sich der Unterhalt zusammensetzt, ist unerheblich
Rechtlich fehlerhaft ist aber die Auffassung des Beschwerdegerichts, dass die dem Schuldner gewährten ALG-II-Leistungen bei der Bestimmung des pfändungsfreien Betrages nach § 850d Abs. 1 S. 2 ZPO keine Berücksichtigung finden.
Nach § 850d Abs. 1 S. 2 ZPO ist dem Schuldner so viel zu belassen, wie er für seinen notwendigen Unterhalt benötigt. Dementsprechend mindern andere Einnahmen und geldwerte Vorteile, soweit sie dem Schuldner tatsächlich zur Verfügung stehen, grundsätzlich den Freibetrag, der ihm aus seinem gepfändeten Arbeitseinkommen zu belassen ist. Anderes gilt, wenn ein besonderer Zweck der Einnahme dies ganz oder teilweise verbietet (BGH, 25.10.2012 – VII ZB 12/10 Rn 15, BGHZ 195, 224).
Pfändungsschutz bleibt unerheblich
Einer Minderung des Freibetrags durch ALG-II-Leistungen steht ein besonderer Zweck des ALG II nicht entgegen. Das ALG II dient der Sicherung des Existenzminimums und soll deshalb bei den leistungsberechtigten Personen verbleiben (BT-Drucks. 18/8041, S. 56). Dieser Zweck wird durch eine Minderung des Freibetrags nach § 850d Abs. 1 S. 2 ZPO infolge des Bezugs von ALG-II-Leistungen nicht beeinträchtigt. Vielmehr verbleiben dem Schuldner ungeschmälert die ihm gewährten Leistungen.
Aus den Zusammenrechnungsregeln ergibt sich nichts anderes
Anderes folgt gesetzessystematisch nicht aus § 850e Nr. 2a ZPO. Nach § 850e Nr. 2a ZPO sind mit Arbeitseinkommen auf Antrag auch Ansprüche auf laufende Geldleistungen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) zusammenzurechnen, soweit diese der Pfändung unterworfen sind. Da Ansprüche auf ALG-II-Leistungen nach § 42 Abs. 4 S.1 SGB II unpfändbar sind, wird teilweise vertreten, § 850e Nr. 2a ZPO stehe einer Minderung des Freibetrags nach § 850d Abs. 1 S. 2 ZPO entgegen (vgl. Stein/Jonas/Würdinger, ZPO, 23. Aufl., § 850d Rn 29; Zöller/Herget, ZPO, 33. Aufl., § 850d Rn 10; a.A. Musielak/Voit/Becker, ZPO, 16. Aufl., § 850d Rn 11). Diese Auffassung ist unzutreffend. § 850e Nr. 2a ZPO ist weder unmittelbar noch seinem Sinn und Zweck nach im Rahmen von § 850d Abs. 1 S. 2 ZPO anwendbar.
Keine Zusammenrechnung
Eine unmittelbare Anwendung von § 850e Nr. 2a ZPO scheidet aus, da es bei der Berechnung des nicht pfändbaren Betrages nach § 850d Abs. 1 S. 2 ZPO nicht um eine auf Antrag erfolgende Zusammenrechnung von Arbeitseinkommen mit Ansprüchen auf laufende Geldleistungen nach dem SGB geht. Im Rahmen von § 850d Abs. 1 S. 2 ZPO ist vielmehr die Frage zu klären, ob ALG-II-Leistungen den Pfändungsfreibetrag mindern.
Keine analoge Anwendung
Eine analoge Anwendung von § 850e Nr. 2a ZPO kommt nicht in Betracht, weil Sinn und Zweck dieser Vorschrift einer Minderung des Pfändungsfreibetrags durch den ALG-II-Bezug nicht entgegenstehen.
Wie bereits dargelegt, wird der Zweck des ALG II, das Existenzminimum zu sichern und die Leistungen bei dem Schuldner zu belassen, durch eine Minderung des Pfändungsfreibetrags nach § 850d Abs. 1 S. 2 ZPO nicht beeinträchtigt. Der Umstand, dass der Gesetzgeber bei der Einfügung von § 850e Nr. 2a ZPO im Jahr 1973 davon ausgegangen ist, dass die für die Beurteilung der Zusammenrechenbarkeit nach §§ 850c, 850d ZPO erheblichen Umstände die gleichen sind wie bei Pfändung von Sozialleistungen (vgl. BT-Drucks 7/868, S. 37), steht dem nicht entgegen.
Bei § 850e ZPO nur Erleichterung der Berechnung
Im Übrigen hat der Gesetzgeber aus verwaltungsökonomischen Gründen die Ansprüche auf ALG-II-Leistungen als unpfändbar – und damit einer Zusammenrechnung nach § 850e Nr. 2a ZPO entzogen – ausgestaltet. Für die Träger der Grundsicherung sollte der Aufwand zur Ermittlung der pfändbaren Beträge nach §§ 850c ff. ZPO entfallen, und zwar auch deshalb, weil die Berechnung in aller Regel keine pfändbaren Beträge ergibt (BT-Drucks 18/8041, S. 56). Dieser Zweck hindert eine Minderung des Pfändungsfreibetrags im Rahmen von § 850d Abs. 1 S.2 ZPO nicht. Zum einen ist es nicht Aufgabe der Träger der Grundsicherung, den pfändungsfreien Betrag nach § 850d Abs. 1 S. 2 ZPO zu errechnen. Diese Berechnungen werden durch eigens für diese Aufgabe ausgebildete Rechtspfleger übernommen (§ 20 Abs. 1 Nr. 17 RPflG). Zum anderen können sich im Rahmen der Pfändung von Arbeitseinkommen wegen Unterhaltsansprüchen – anders als im Rahmen der Zwangsvollstreckung wegen nicht privilegierter Forderungen – pfändbare Beträge in nicht unwesentlichem Umfang ergeben.
Sinn und Zweck verlangt Berücksichtigung von ALG II
Schließlich entspricht die Minderung des...