Leitsatz
Die materielle Richtigkeit der erteilten Vollstreckungsklausel ist grundsätzlich nicht zur Überprüfung des Vollstreckungsgerichts gestellt. Seiner Nachprüfung unterliegt es, ob eine Klausel vorhanden ist und ob sie ordnungsgemäß erteilt wurde, nicht hingegen, ob sie erteilt werden durfte.
BGH, 23.5.2012 – VII ZB 31/11
I. Der Fall
Gläubiger erhält eine Klausel …
Der Gläubiger erstrebt die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung zu einem Prozessvergleich. Die Parteien schlossen vor dem AG einen Vergleich. Darin verpflichtete sich der Schuldner, die von ihm angemietete Wohnung vollständig geräumt und besenrein mit allen Schlüsseln an den Gläubiger zurückzugeben. Des Weiteren ist bestimmt: "Sollte der Beklagte obige Wohnung nicht bis zum 30.4.2009 ordnungsgemäß übergeben haben, so hat er die Klageforderung von 1.003,38 EUR an die Klägerseite zu zahlen; ferner bis zum Auszug die vereinbarte Miete von 460 EUR brutto."
… die das Vollstreckungsgericht für nicht ausreichend erachtet
Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle erteilte dem Gläubiger eine vollstreckbare Ausfertigung des Vergleichs. Das Vollstreckungsgericht wies den folgenden Antrag des Gläubigers auf Erlass eines PfÜB hinsichtlich der geltend gemachten Hauptforderung zurück, weil die durch den Urkundsbeamten erteilte Klausel unwirksam sei. Da die Forderung von einer aufschiebenden Bedingung abhängig sei, bedürfe es einer Klauselerteilung gemäß § 726 ZPO durch den Rechtspfleger. Die gegen diesen Beschluss eingelegte sofortige Beschwerde hat das LG zurückgewiesen.
Eine neue Klausel wird ihm auch verwehrt
Den daraufhin vom Gläubiger bei dem AG gestellten Antrag auf Erteilung einer von dem LG für erforderlich gehaltenen Vollstreckungsklausel hat die Rechtspflegerin mit der Begründung zurückgewiesen, die von dem Urkundsbeamten erteilte Klausel sei für die Zwangsvollstreckung ausreichend. Die dagegen eingelegte sofortige Beschwerde hatte keinen Erfolg.
II. Die Entscheidung
BGH: Wann ist die qualifizierte Klausel erforderlich?
Gemäß §§ 726 Abs. 1, 795 ZPO darf von Prozessvergleichen, deren Vollstreckung nach ihrem Inhalt von dem durch den Gläubiger zu beweisenden Eintritt einer anderen Tatsache als einer dem Gläubiger obliegenden Sicherheit abhängt, eine vollstreckbare Ausfertigung nur erteilt werden, wenn der Beweis durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden geführt wird. Für die Entscheidung, ob die vollstreckbare Ausfertigung gemäß § 725 ZPO von dem UdG oder gemäß § 726 ZPO, § 20 Nr. 12 RPflG von dem Rechtspfleger zu erteilen ist, kommt es darauf an, wem der Titel die Beweislast zuweist, nicht darauf, wen sie nach der materiell-rechtlichen Anspruchsgrundlage treffen würde, aus der der titulierte Anspruch hergeleitet wird. Der Titel ist insoweit auszulegen. Es ist zu fragen, ob mit der Bedingung im Titel dem Gläubiger die Zwangsvollstreckung erst ermöglicht oder nur dem Schuldner die Möglichkeit eingeräumt werden soll, die Zwangsvollstreckung abzuwenden (vgl. Schuschke/Walker/Schuschke, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, 5. Aufl., § 726 ZPO Rn 3).
Beweislastverteilung muss geklärt sein
Das LG hat den Vergleich dahin ausgelegt, dass die den Zahlungsanspruch des Gläubigers von der Nichterfüllung des Herausgabeanspruchs durch den Schuldner abhängig machende Abrede dem Zweck diene, den Gläubiger von jedem Risiko der Verzögerung freizustellen und umgekehrt dem Schuldner die Befugnis zu gewähren, die Fälligkeit und Vollstreckung des Zahlungsanspruchs durch rechtzeitige Erfüllung der Herausgabeverpflichtung abzuwenden. Dies ist ebenso wie die von dem LG daraus abgeleitete Rechtsfolge, dass den Schuldner die Beweislast für die rechtzeitige Erfüllung des Herausgabeanspruchs treffen soll, eine mögliche und nicht von Rechtsfehlern beeinflusste Auslegung.
Aber was macht jetzt der Gläubiger?
Mit dieser Entscheidung ist dem Gläubiger nicht endgültig die Möglichkeit genommen, den mit dem Vergleich titulierten Zahlungsanspruch zu vollstrecken. Zwar hat das Vollstreckungsgericht den Antrag des Gläubigers auf Erlass eines PfÜB auf der Grundlage der ihm erteilten einfachen Klausel rechtskräftig abgewiesen. Es hat die Erteilung eines solchen Beschlusses davon abhängig gemacht, dass der Gläubiger eine qualifizierte Klausel vorlegt. Das war rechtsfehlerhaft. Der Senat hat inzwischen entschieden (BGH FoVo 2012, 57 = MDR 2012, 367), dass das Vollstreckungsgericht bei einem Antrag auf Erteilung eines PfÜB nur zu prüfen hat, ob eine Klausel vorhanden ist und ob sie ordnungsgemäß erteilt wurde, nicht hingegen, ob sie erteilt werden durfte. Deshalb ist es insbesondere nicht Sache des mit der Vollstreckung des Titels befassten Vollstreckungsorgans, die Wirksamkeit der Klausel am Inhalt des Titels zu messen und die erforderliche Abgrenzung zwischen unbedingt und bedingt vollstreckbaren Titeln vorzunehmen.
PfÜB ist trotz bestandskräftiger Abweisung erneut zu beantragen
Der Gläubiger kann, gestützt auf die bereits vorgelegte, vom Urkundsbeamten erteilte einfache Klausel und den vorliegenden Beschluss erneut einen ...