Leitsatz
Sowohl nach der Stellung des Insolvenzantrages als auch nach der Insolvenzeröffnung ist der Gerichtsvollzieher auf Antrag verpflichtet, die Auskünfte nach § 802l ZPO über das Vermögen des Schuldners bei den Auskunftsbehörden einzuholen.
AG München, 12.2.2016 – 1503 IN 3339/15
1 I. Die Entscheidung
InsO verweist auf ZPO
Die Erhebung der Auskünfte nach § 802l ZPO durch den Gerichtsvollzieher ist im Insolvenzverfahren gemäß § 4 InsO i.V.m. § 802 Abs. 1 ZPO zulässig und zur Sachverhaltsaufklärung auch verhältnismäßig. § 802l ZPO ist auch im Insolvenzverfahren anwendbar. Zwar gilt dies nicht für alle Vorschriften der ZPO über die Zwangsvollstreckung. Die Anwendung von Vorschriften des 8. Buches der ZPO ist im Insolvenzverfahren aber immer dann möglich, wenn diese von dem Gegensatz zwischen Gesamt- und Einzelvollstreckung nicht berührt werden. Nach diesen Grundsätzen ergibt sich die Anwendbarkeit von § 802l ZPO im Insolvenzverfahren, da das Bedürfnis zur Erhebung von Informationen über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners zu den Gemeinsamkeiten von Gesamt- und Einzelvollstreckung gehört und schon allein deshalb hier kein Gegensatz besteht. Die Auskunftserteilung nach § 802l ZPO wird zwar durch einen Gläubigerantrag in der Einzelvollstreckung angestoßen, liegt aber im Interesse aller Gläubiger. Auch aus diesem Grund besteht kein Gegensatz zum Insolvenzverfahren als Verfahren der Gesamtvollstreckung.
Fehlende direkte Verweisungen schaden nicht
Der Anwendbarkeit von § 802l steht auch nicht entgegen, dass die §§ 20, 97, 98 InsO nicht auf § 802l ZPO verweisen. Denn wenn der Gesetzgeber ausdrücklich auch die Verhaftung des Schuldners zugelassen hat, wenn dieser seiner Auskunftspflicht nicht nachkommt, kann aus der fehlenden Verweisung nicht auf den Willen des Gesetzgebers geschlossen werden, dass § 802l ZPO nicht anwendbar sein soll. Dies ergibt sich schon aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Wenn der Gesetzgeber ausdrücklich die Verhaftung des Schuldners unter Verweis auf die Vorschrift von § 802g ZPO zugelassen hat, müssen über § 4 InsO erst recht die Vorschriften mit einer wesentlich geringeren Eingriffsintensität anwendbar sein.
Auskunft ist erforderlich, notwendig und angemessen
Die Auskunftserteilung ist auch im hiesigen Verfahren zur Aufklärung des Sachverhalts erforderlich, notwendig und angemessen. Über die Auskunftserteilung nach § 802l ZPO können wertvolle Informationen über die Vermögenslage des nicht mitwirkungsbereiten Schuldners gewonnen werden. Diese Informationen sind für die Entscheidung über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens erforderlich. Die Einholung der Informationen ist auch notwendig, da der Schuldner seinen Auskunftspflichten nicht nachkommt. Die Durchsetzung der Auskunftspflichten könnte ansonsten nur durch Zwangsmaßnahmen wie eine Durchsuchung oder Vorführung oder Verhaftung des Schuldners erfolgen. Demgegenüber stellt sich die Auskunftserteilung nach § 802l ZPO als das mildere Mittel dar.
Zuständigkeit des GV
Der Gerichtsvollzieher ist gemäß § 802l ZPO zuständig. Die Informationseinholung durch das Insolvenzgericht ist nicht möglich, da das Bundesverfassungsgericht für den Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung postuliert hat, dass im Gesetz angegeben werden muss, welche staatliche Stelle zur Erfüllung welcher Aufgaben zu der geregelten Informationserhebung berechtigt sein soll (BVerfG NJW 2007, 2464). Da der Gerichtsvollzieher als zuständige Stelle im Gesetz ausdrücklich benannt ist, verbietet sich eine Informationseinholung durch das Gericht in entsprechender Anwendung der Vorschrift.
2 Der Praxistipp
Regel- und Verbraucherinsolvenzverfahren unterscheiden
Grundsätzlich liegt die Bedeutung der vorliegenden Entscheidung im Regelinsolvenzverfahren, wenn ein Dritter den Insolvenzantrag gestellt hat und der Schuldner bei der Feststellung der Insolvenzgründe nicht mitwirkt. Im Verbraucherinsolvenzverfahren bedarf es dieser Vorgehensweise nicht, weil das Gericht dem Schuldner bei mangelnder Mitwirkung die Stundung der Verfahrenskosten versagen kann. Auch kann der Gläubiger unmittelbar einen Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung nach §§ 290 ff. ZPO stellen und das Insolvenzgericht hieraus sogar die Unzulässigkeit des Insolvenzantrages herleiten.
Option zur Überprüfung der Angaben des Schuldners
Auch im Verbraucherinsolvenzverfahren sollten das Insolvenzgericht und der Treuhänder allerdings vom Gläubiger auf die Möglichkeit der Informationsbeschaffung nach § 803l ZPO aufmerksam gemacht werden. Die so erlangten Informationen erlauben nämlich, die Angaben des Schuldners zu verifizieren, Falschangaben aufzudecken und so auch Grundlagen für den Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung zu schaffen. Ein präventiver Hinweis des Gläubigers an den Schuldner auf die Informationspflichten kann diesen zur Wahrheit anhalten, möglicherweise aber sogar vom Insolvenzantrag abhalten, weil er weiß, dass ihm (dann) ohnehin ein Versagungsantrag hinsichtlich der Restschuldbefreiung droht.
FoVo 9/2016, S. 175 - 176