Pfändungsschutz beim Arbeitseinkommen
Wird das Arbeitseinkommen des Schuldners gepfändet, steht diesem nach § 850c ZPO ein Pfändungsfreibetrag von 1.133,80 EUR zu. Gibt es weitere gesetzlich unterhaltsberechtigte Personen (u.P.), erhöht sich dieser Betrag nach der aktuellen Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung 2017 (BGBl I 2017, S. 750 ff.) für die erste u.P. um 426,71 EUR und für die zweite bis fünfte u.P. um jeweils weitere 237,73 EUR.
Mehr als nur der Pfändungsfreibetrag
Damit aber nicht genug. Übersteigt das Arbeitseinkommen danach den errechneten pfändungsfreien Betrag, so ist dieser Teil nicht etwa vollständig pfändbar, sondern von dem überschießenden Betrag sind nach § 850c Abs. 2 ZPO weitere 30 % für den Schuldner, 20 % für die erste und jeweils weitere 10 % für die zweite bis fünfte u.P. pfändungsfrei. Das wird sehr häufig übersehen.
Das Problem: eigenes Einkommen des Unterhaltsberechtigten
In der Praxis ist das als Ausgangsfall sehr einfach zu handhaben, weil auf die Anlage zu § 850c ZPO zurückgegriffen werden kann, die für Standardfälle den pfändbaren Betrag aufzeigt. Wie nachfolgend zu zeigen sein wird, ist das aber sehr viel komplizierter, wenn eine gesetzlich unterhaltsberechtigte Person über eigenes Einkommen verfügt, ohne dass dies dazu führt, dass sie vollständig unberücksichtigt bleibt.
Hinweis
Hat eine Person, welcher der Schuldner aufgrund gesetzlicher Verpflichtung Unterhalt gewährt, eigene Einkünfte, so kann das Vollstreckungsgericht auf Antrag des Gläubigers nach § 850c Abs. 4 ZPO nach billigem Ermessen bestimmen, dass diese Person bei der Berechnung des unpfändbaren Teils des Arbeitseinkommens ganz oder teilweise unberücksichtigt bleibt.
Der Ausgangsfall: der Schuldner als Alleinverdiener
Nach § 850e Nr. 1 ZPO ist vom Nettolohn auszugehen, der nach § 850c Abs. 3 ZPO auf volle 10 EUR abzurunden ist. Wir gehen von folgendem Fall aus: Der Schuldner verdient 2.000,56 EUR netto, ist verheiratet und hat ein Kind. Wie berechnet sich also der pfändungsfreie Betrag?
Nach § 850e ZPO ist vom Nettoeinkommen 2.000,56 EUR auszugehen. Dieses ist nach § 850c Abs. 3 ZPO auf 2.000 EUR abzurunden. Hiervon ist der Pfändungsfreibetrag des Schuldners und zweier u.P. abzuziehen:
Im Ausgangsfall berechnet sich der pfändbare Betrag nach § 850c Abs. 1 S. 1 und 2 ZPO wie folgt
Beispielsrechnung 1 – § 850c Abs. 1 ZPO |
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2.000,00 EUR – 1.133,80 EUR |
= |
866,20 EUR |
866,20 EUR – 426,71 EUR |
= |
439,49 EUR |
439,49 EUR – 237,73 EUR |
= |
201,76 EUR |
Schnell erkennt man, dass dies nicht dem pfändbaren Betrag aus der Anlage zu § 850c ZPO entspricht, wo bei zwei u.P. ein pfändbarer Betrag von 80,70 EUR ausgewiesen wird. Das ergibt sich aus der Anwendung von § 850c Abs. 2 ZPO, wonach von dem überschießenden Betrag weitere 30 % für den Schuldner, 20 % für die erste und weitere 10 % für die zweite u.P. abzuziehen sind, insgesamt also weitere 60 % (121,06 EUR) des überschießenden Betrages (201,73 EUR) pfändungsfrei bleiben:
Die Berechnung aus dem Ausgangsfall ist also fortzusetzen:
Beispielsrechnung 1 – § 850c Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 ZPO |
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30 % von 201,76 EUR für den Schuldner |
= |
60,53 EUR |
20 % von 201,76 EUR für die erste u.P. |
= |
40,35 EUR |
10 % von 201,76 EUR für die zweite u.P. |
= |
20,18 EUR |
weiterer pfändungsfreier Betrag |
= |
121,06 EUR |
Pfändbar sind also abschließend 201,76 EUR – 121,06 EUR = 80,70 EUR, was dem aus der Tabelle ersichtlichen pfändungsfreien Betrag entspricht.
Die Abwandlung: Das Kind verdient 250 EUR
Komplizierter wird es, wenn man davon ausgeht, dass der Ehegatte des Schuldners über kein eigenes Einkommen verfügt, der 17-jährige Sohn aber bereits einer Ausbildung nachgeht und eigenes Einkommen von 250 EUR monatlich erzielt. Der Gläubiger möchte nun einen Antrag nach § 850c Abs. 4 ZPO stellen. Das AG – Vollstreckungsgericht – stimmt dem auch grundsätzlich zu. Ausgehend von einem Unterhaltsbedarf von 500 EUR möchte es das Kind zur Hälfte nicht berücksichtigen. Es ist überraschend zu sehen, dass sich die pfändbaren Beträge ganz unterschiedlich darstellen, je nachdem, welchem Berechnungsweg gefolgt wird.
Der Ehegatte ist erste, das Kind zweite u.P.
Wird der Ehegatte als erste u.P. berücksichtigt, so ist der Pfändungsfreibetrag für das Kind (237,73 EUR) als dann zweite u.P. ebenso zu halbieren wie der weitere Schutzanteil nach § 850c Abs. 2 ZPO für die zweite u.P. (10 %).
Die Ausgangsberechnung wandelt sich dann wie folgt ab:
Berechnungsbeispiel 2 – § 850c Abs. 4 ZPO mit Ehegatte als erste u.P. |
= |
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2.000,00 EUR – 1.133,80 EUR |
= |
866,20 EUR |
866,20 EUR – 426,71 EUR |
= |
439,49 EUR |
439,49 EUR – 118,87 EUR (50 % von 237,73 EUR) |
= |
320,62 EUR |
30 % von 320,62 EUR für den Schuldner |
= |
96,19 EUR |
20 % von 320,62 EUR für die erste u.P. |
= |
64,12 EUR |
5 % von 320,62 EUR für die zweite u.P. |
= |
16,03 EUR |
weiterer pfändungsfreier Betrag |
= |
176,34 EUR |
Pfändbar sind bei dieser Berechnungsweise also abschließend 320,62 EUR – 176,34 EUR = 144,28 EUR.
Was aber, wenn das Kind als erste, der Ehegatte als zweite u.P. behandelt wird?
Eine ganz andere Berechnung mit einem abw...