Leitsatz
Der teilzeitbeschäftigte Schuldner muss sich grundsätzlich in gleicher Weise wie der erfolglos selbstständig tätige und der erwerbslose Schuldner um eine angemessene Vollzeitbeschäftigung bemühen.
BGH, Beschl. v. 1.3.2018 – IX ZB 32/17
1 I. Der Fall
Insolvenz und pfändungsfreie Beschäftigung bei der Ehefrau
Über das Vermögen des Schuldners wurde 2010 das Insolvenzverfahren eröffnet. Am 1.10.2010 wurde dem Schuldner die Restschuldbefreiung angekündigt und der Treuhänder bestellt. Der Schuldner ging seit dem 1.3.2010 einer Halbtagstätigkeit bei der S GmbH nach, deren alleinige Gesellschafterin und Geschäftsführerin seine Ehefrau ist. Sein monatliches Nettoeinkommen lag bis Ende des Jahres 2014 bei zwei unterhaltsberechtigten Kindern weit unterhalb des Pfändungsfreibetrages. Er hatte gegenüber dem Finanzamt die Steuerklasse V gewählt. Seit Januar 2015 hat der Schuldner aufgrund einer Gehaltserhöhung und der Erhöhung der Stundenzahl auf wöchentlich 25 Stunden nach Wahl der Steuerklasse IV ein über dem Pfändungsfreibetrag liegendes Einkommen. Die pfändbaren Beträge führt er seitdem an den Treuhänder ab.
Gläubigerin beantragt Versagung der Restschuldbefreiung
Die Gläubigerin, deren Forderung zur Tabelle festgestellt ist, hat im September 2014 beantragt, dem Schuldner die Restschuldbefreiung zu versagen, weil er gegen seine Erwerbsobliegenheit verstoßen habe. Das Insolvenzgericht hat antragsgemäß die Restschuldbefreiung versagt. Das LG hat die sofortige Beschwerde des Schuldners zurückgewiesen. Mit seiner vom LG zugelassenen Rechtsbeschwerde möchte der Schuldner erreichen, dass der Antrag der Gläubigerin auf Versagung der Restschuldbefreiung zurückgewiesen wird.
2 II. Aus der Entscheidung
Versagung der Restschuldbefreiung bei Obliegenheitsverletzung und Beeinträchtigung
Die materiellen Voraussetzungen für die Versagung der Restschuldbefreiung nach § 296 Abs. 1 i.V.m. § 295 Abs. 1 Nr. 1 InsO hat das Beschwerdegericht mit zutreffender Begründung festgestellt. Auf einen Gläubigerantrag ist die beantragte Restschuldbefreiung nach § 296 Abs. 1 Satz 1 InsO zu versagen, wenn der Schuldner ab Aufhebung des Insolvenzverfahrens und Ankündigung der Restschuldbefreiung (BGH ZVI 2010, 203) eine seiner Obliegenheiten aus § 295 InsO verletzt und dadurch die Befriedigung der Insolvenzgläubiger beeinträchtigt.
Erwerbsobliegenheit = Arbeitsleistung und angemessene Vergütung
Nach § 295 Abs. 1 Nr. 1 InsO obliegt es dem Schuldner, in der Wohlverhaltensperiode eine angemessene Erwerbstätigkeit auszuüben und, wenn er ohne Beschäftigung ist, sich um eine solche zu bemühen und keine zumutbare Tätigkeit abzulehnen.
Grundsätzlich erfüllt ein erwerbstätiger Schuldner seine Obliegenheiten, wenn er während der Wohlverhaltensperiode einer Erwerbstätigkeit nachgeht, die seiner Ausbildung und seinen Fähigkeiten entspricht. Eine angemessene Erwerbstätigkeit setzt nicht nur eine gebührende Arbeitsleistung, sondern auch eine angemessene Bezahlung voraus.
Der Schuldner muss aktiv sein
Der beschäftigungslose Schuldner hat sich um eine Arbeit zu bemühen; eine zumutbare Arbeit darf er nicht ablehnen. Gelingt es dem Schuldner nicht, eine seiner Ausbildung, seinen Fähigkeiten, dem Lebensalter und dem Gesundheitszustand entsprechende Arbeitsstelle zu finden, muss er eine berufsfremde, eine auswärtige und notfalls eine Aushilfs- oder Gelegenheitstätigkeit annehmen. Er muss im Regelfall bei der Bundesagentur für Arbeit arbeitssuchend gemeldet sein und laufend Kontakt zu den dort für ihn zuständigen Mitarbeitern halten. Weiter muss er sich selbst aktiv und ernsthaft um eine Arbeitsstelle bemühen, etwa durch stetige Lektüre einschlägiger Stellenanzeigen und durch entsprechende Bewerbungen. Als ungefähre Richtgröße können zwei bis drei Bewerbungen in der Woche gelten, sofern entsprechende Stellen angeboten werden. Welchen Umfang die Bemühungen des Schuldners im Einzelnen aufweisen müssen, um eine hinreichende Arbeitsplatzsuche belegen zu können, lässt sich nicht allgemeingültig klären, sondern ist unter Berücksichtigung branchenbezogener, regionaler und individueller Umstände einzelfallbezogen zu beurteilen (BGH NZI 2011, 596; BGH NZI 2012, 852).
Minderverdienst aktiviert Obliegenheit
Erkennt der selbstständig tätige Schuldner in der Wohlverhaltensphase, dass er mit der von ihm ausgeübten selbstständigen Tätigkeit nicht genug erwirtschaftet, um seine Gläubiger so zu stellen, als übe er eine entsprechende abhängige Tätigkeit aus, braucht er seine selbstständige Tätigkeit zunächst nicht aufzugeben. Er muss sich dann aber – ebenso wie ein beschäftigungsloser Schuldner – gemäß § 295 Abs. 1 Nr. 1 InsO nachweisbar um eine angemessene Erwerbstätigkeit bemühen, um den Verschuldensvorwurf zu entkräften (BGH NZI 2009, 482).
Erst recht bei einer Teilzeittätigkeit
Nichts anderes gilt für den Schuldner, der anstelle einer angemessenen Vollzeittätigkeit lediglich eine Teilzeitbeschäftigung ausübt (BGH NZI 2010, 228). Als angemessene Erwerbstätigkeit ist grundsätzlich nur eine Vollzeitbeschäftigung anzusehen (Uhlenbruck/Sternal, In...