Rz. 87
Der gesetzliche Güterstand der communauté réduite aux aquêts gilt gem. Art. 1387 CC nur, wenn keine anderweitigen ehevertraglichen Vereinbarungen unter den Ehegatten getroffen wurden.
a) Wirksamkeit und Publizität des Ehevertrages
aa) Form und Publizität des Ehevertrages
Rz. 88
Gemäß Art. 1394 Abs. 1 CC muss ein Ehevertrag bei gleichzeitiger Anwesenheit der Parteien oder ihrer Vertreter notariell beurkundet werden. Eine rechtsgeschäftliche Vertretung ist dabei möglich, es muss hierzu jedoch eine Spezialvollmacht in öffentlicher Urkunde vorliegen.
Rz. 89
Der Notar stellt gem. Art. 1394 Abs. 2 S. 1 CC über die Parteien und das Datum des Vertrages eine Bescheinigung aus. Vor Eheschließung ist diese Bescheinigung dem Standesbeamten gem. Art. 1394 Abs. 2 S. 2 CC auszuhändigen (siehe Rdn 35). Der Standesbeamte vermerkt dann gem. Art. 76 Nr. 8 CC auf der Heiratsurkunde, dass ein Ehevertrag besteht, das Datum des Vertragsabschlusses und den Namen und Amtssitz des beurkundenden Notars. Dieses Verfahren ist ein Ersatz für das in Frankreich fehlende Güterrechtsregister. Dritte können sich über die güterrechtlichen Verhältnisse Klarheit verschaffen, indem sie sich eine Heiratsurkunde und, falls aus dieser das Bestehen eines Ehevertrages hervorgeht, zusätzlich diesen vorlegen lassen.
Rz. 90
Führt der Ehevertrag zu einem Eigentumsübergang, z.B. weil Gegenstände aus dem persönlichen Vermögen in das Gesamtgut überführt werden, so ist bei Immobilien gem. Art. 28 Nr. 1 des Dekrets Nr. 55–22 vom 4.1.1955 eine Publikation beim service chargé de la publicité foncière (vormals bis 31.12.2012 bureau des hypothèques) erforderlich. Folge einer Nichtveröffentlichung ist jedoch nicht die Unwirksamkeit des Ehevertrages, sondern gem. Art. 30 Nr. 1 des Dekrets die Möglichkeit eines gutgläubigen Erwerbs durch Dritte.
bb) Geschäftsfähigkeit, Willensmängel
Rz. 91
Minderjährige können gem. Art. 148 CC mit Zustimmung ihrer Eltern die Ehe schließen (siehe Rdn 9, 11). Korrespondierend hierzu bestimmt Art. 1398 Abs. 1 CC, dass sie unter den gleichen Voraussetzungen auch Eheverträge abschließen können. Fehlt die Zustimmung der Eltern, so können der Minderjährige und seine Eltern den Ehevertrag gem. Art. 1398 Abs. 2 CC bis ein Jahr nach Eintritt der Volljährigkeit gerichtlich für nichtig erklären lassen. Vergleichbare Regelungen finden sich in Art. 1399 CC für Personen, die unter Erwachsenenvormundschaft (tutelle) oder Erwachsenenpflegschaft (curatelle) gem. Art. 440 ff. CC stehen.
Rz. 92
Der Code Civil enthält keine Sondervorschriften über die Auswirkungen von Willensmängeln auf den Ehevertrag. Deshalb ist auf die – allgemein für Verträge geltenden – Regeln der Art. 1130 ff. CC zurückzugreifen. Irrtum, Drohung und Täuschung führen zur relativen Nichtigkeit des Ehevertrages, die gem. Art. 2224 CC innerhalb von fünf Jahren gerichtlich geltend zu machen ist. Gemäß Art. 1144 CC beginnt die Frist bei Irrtum und Täuschung mit deren Entdeckung, bei Drohung in dem Zeitpunkt, in dem die Zwangslage beendet ist.
cc) Zeitpunkt des Abschlusses des Ehevertrages, Unwandelbarkeitsgrundsatz
Rz. 93
Nach dem in Art. 1395, 1396 Abs. 2 CC immer noch verankerten Unwandelbarkeitsgrundsatz sind ehevertragliche Vereinbarungen und ihre Abänderung grundsätzlich nur vor der Ehe zulässig. Diese starre Regelung soll vor allem dem Gläubigerschutz dienen. Verstöße gegen das principe d’immutabilité führen zur absoluten Nichtigkeit der Abänderungsvereinbarung, die von jedem geltend gemacht werden kann und nicht gerichtlich ausgesprochen werden muss.
Rz. 94
Abänderungen des Ehevertrages vor Eheschließung müssen gem. Art. 1396 Abs. 1 CC unter gleichzeitiger Anwesenheit und Zustimmung aller am ursprünglichen Vertrag beteiligten Personen notariell beurkundet werden. Die neuen Vereinbarungen (contre-lettres) sind gem. Art. 1396 Abs. 2 CC Dritten gegenüber nur wirksam, wenn sie dem Original des ursprünglichen Ehevertrages beigeschrieben worden sind.
Rz. 95
Seit der Güterrechtsreform aus dem Jahre 1965 gilt der Unwandelbarkeitsgrundsatz allerdings nicht mehr uneingeschränkt. Es besteht vielmehr seitdem gem. Art. 1396 Abs. 3, 1397 CC die – nach wie vor nur – begrenzte Zulässigkeit der Änderung des Güterstandes noch nach Eheschließung. Diese Möglichkeit wird in Frankreich inzwischen häufig wahrgenommen.
Rz. 96
Nach der Eheschließung ist gem. Art. 1396 Abs. 3, 1397 CC eine Änderung des Güterstandes nunmehr unter folgenden Voraussetzungen zulässig: Art. 1397 Abs. 1 S. 1 CC verlangt zunächst, dass die Änderungen im Familieninteresse liegen. Der notariell zu beurkundende neue Ehevertrag muss nach Art. 1397 Abs. 1 S. 2 CC außerdem zwingend die Abwicklung des bisherigen Güterstandes regeln. Bis zum 25.3.2019 konnte ferner ein Ehevertrag nach Eheschließung nur abgeschlossen werden, ...