Rz. 190
In den Art. 1511–1514 C.C. ist zunächst die sog. clause de prélèvement moyennant indemnité geregelt. Durch diese erhält ein Ehegatte das Recht, nach Eheauflösung dem Gesamtgut vor der Teilung bestimmte Gegenstände zu entnehmen. Der Begünstigte schuldet jedoch einen Ausgleichsbetrag an das Gesamtgut. Eine clause de prélèvement moyennant indemnité kann sich gem. Art. 1511 C.C. auf jeden Gegenstand des Gesamtgutes beziehen, nicht aber auf Gegenstände des Eigenguts. Ausgenommen sind Anteile an einer Personengesellschaft, wenn der Gesellschaftsvertrag die Auflösung durch den Tod eines Gesellschafters, die Fortsetzung nur unter den überlebenden Gesellschaftern oder die Fortsetzung nur mit bestimmten Erben vorsieht. In der Praxis bezieht sich das Vorwegentnahmerecht oftmals auf ein Unternehmen oder ein Handelsgeschäft, um dem Begünstigten dessen Fortführung zu ermöglichen (sog. clause commerciale).
Rz. 191
Vor Beendigung des Güterstands hat die clause de prélèvement moyennant indemnité keinerlei Wirkungen und keine Verfügungsbeschränkung zur Folge. Bei Beendigung des Güterstands hat der Begünstigte das Recht, das droit de prélèvement gegenüber den Erben seines verstorbenen Partners auszuüben. Das Vorwegentnahmerecht ist ein höchstpersönliches Recht. Die Erklärung ist nicht an eine bestimmte Form gebunden, eine Frist besteht ebenfalls nicht. Allerdings bestimmt Art. 1513 C.C. i.V.m. Art. 771, 772, 790 C.C., dass die Erben des verstorbenen Ehegatten acht Monate nach dem Erbfall den Berechtigten formlos auffordern können, sich innerhalb eines Monats darüber zu erklären, ob er das Entnahmerecht wahrnehmen will. Nach Ablauf der Frist ist die clause de prélèvement hinfällig.
Rz. 192
Die Ausübung des Vorwegentnahmerechts bewirkt eine Teilauseinandersetzung des Gesamtgutes hinsichtlich des betreffenden Gegenstandes mit der Folge, dass der Berechtigte rückwirkend seit dem Zeitpunkt der Auflösung des Güterstands Eigentümer wird.
Rz. 193
Grundsätzlich können die Ehegatten gem. Art. 1512 S. 1 C.C. den Wert des dem Entnahmerecht unterliegenden Gegenstandes frei bestimmen, also z.B. den Tag der Eheschließung oder der Ausübung für die Wertermittlung zugrunde legen. Mangels einer solchen Bestimmung ist gem. Art. 1511 C.C. der Tag der Auseinandersetzung maßgeblich. Der geschuldete Ausgleichsbetrag wird gem. Art. 1514 Abs. 1 C.C. auf den Anteil des überlebenden Ehegatten am Gesamtgut angerechnet, einen überschießenden Betrag hat der Berechtigte an das Gesamtgut zu zahlen. Gemäß Art. 1514 Abs. 2 C.C. kann vereinbart werden, dass der Ausgleichsbetrag subsidiär auf den Erbteil des Überlebenden nach dem Erstversterbenden angerechnet wird. Können sich die Parteien über die Höhe der Ausgleichspflicht oder die Zahlungsmodalitäten nicht einigen, so entscheidet gem. Art. 1512 S. 2 C.C. das Tribunal judiciaire.