Rz. 182
Deshalb kann ein Ehegatte nach Art. 270 Abs. 2 CC verpflichtet sein, an den anderen Ehegatten eine Abfindung zu leisten, um durch die Scheidung eintretende Ungleichheiten der Lebensumstände auszugleichen. Diese prestation compensatoire kann in allen Fällen der Scheidung zugesprochen werden, seit der letzten Scheidungsreform bei der Verschuldensscheidung sogar zugunsten des alleinschuldigen Ehegatten. Sie hat einerseits Entschädigungs- und andererseits Unterhaltscharakter. Durch die Scheidungsreform vom 26.5.2004 wurde nochmals ausdrücklich betont, dass die Entschädigung in erster Linie durch eine Einmalleistung erbracht werden soll, um auch finanziell einen Schlussstrich unter die Beziehungen der geschiedenen Partner zu ziehen. In der Praxis dagegen hatte sich – auch aus steuerlichen Gründen und entgegen der bereits vorher bestehenden Rechtslage – immer mehr (in ca. 75 % der Fälle) die Zuweisung von laufenden Unterhaltsleistungen durchgesetzt.
Rz. 183
Es handelt sich i.Ü. bei dem Anspruch auf Abfindungsleistung um zwingendes Recht (ordre public interne), so dass hierauf nicht vor der Durchführung eines Scheidungsverfahrens verzichtet werden kann; auch Vereinbarungen sind nicht zulässig.
Rz. 184
Über die Gewährung der Abfindung und deren Höhe entscheiden nach Art. 278 CC bei der einvernehmlichen Scheidung die Ehegatten in der Scheidungsvereinbarung, andernfalls entscheidet der Richter im Scheidungsurteil. Dieser hat dabei nach Art. 271 Abs. 1 CC die Bedürfnisse und finanziellen Mittel und möglichst die nähere zukünftige Entwicklung zu berücksichtigen. In die Erwägungen sind insbesondere einzubeziehen die Ehedauer, das Alter und der Gesundheitszustand der Ehegatten, ihre berufliche Situation, die Rollenverteilung während der Ehe, insbesondere ob ein Ehegatte seine berufliche Laufbahn wegen gemeinschaftlicher Kinder oder der Karriere des anderen zurückgestellt hat, ihre finanzielle Situation nach Abwicklung des Güterstandes, sowie ihre Altersversorgung. Nach Art. 272 CC haben die Ehegatten über diese Umstände eine eidesstattliche Versicherung abzugeben. Bei beiden Ehegatten sind in finanzieller Hinsicht alle Einkünfte, gleich welcher Art, zu berücksichtigen, wobei an gemeinsame Kinder geleistete Unterhaltszahlungen beim Schuldner abgezogen werden, beim Gläubiger jedoch nicht zu berücksichtigen sind. Feste Richtlinien für die Bemessung der Höhe der Abfindung bestehen i.Ü. nicht, was in der Praxis dazu führt, dass die praktische Handhabung der Gerichte äußerst uneinheitlich ist.
Rz. 185
Der Richter kann nach Art. 270 Abs. 3 CC bei Berücksichtigung der Kriterien des Art. 271 CC oder, wenn die Scheidung aufgrund alleinigen Verschuldens des die Abfindung fordernden Ehegatten ausgesprochen wurde, die Gewährung der Zahlung verweigern.
Rz. 186
Die Entschädigung kann nach Art. 274 CC als Einmalzahlung oder durch Zuweisung von Gegenständen zu Eigentum oder zur Nutzung geleistet werden. Nach Art. 275 Abs. 1 CC kann auch Ratenzahlung gewährt werden, wobei diese nicht länger als acht Jahre dauern darf und indexiert wird. Die verschiedenen Zahlungsmodalitäten können nach Art. 275–1 CC kombiniert werden.
Rz. 187
Im Falle einer späteren Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse kann der Schuldner nach Art. 275 Abs. 2 CC eine Anpassung der Zahlungsmodalitäten verlangen, er kann sich nach Art. 275 Abs. 3 CC jederzeit durch Zahlung der kompletten Summe von der Zahlungspflicht befreien. Nach Art. 277 CC kann der Richter Sicherheitsleistungen anordnen.
Rz. 188
Im Falle des Todes des Zahlungsverpflichteten geht die Verpflichtung nach Art. 280 CC auf die Erben über. Diese haften jedoch nur mit dem Aktivnachlass, nicht mit ihrem sonstigen Vermögen.