Rz. 99

Inhaltlich enthält ein Testament vor allem[85] Anordnungen zur Verteilung des Vermögens des Erblassers nach seinem Tod.

[85] Zu anderen denkbaren, z.B. familienrechtlichen Anordnungen vgl. Baumann, Gesetzliche Erbfolge und Möglichkeiten testamentarischer Erbeinsetzung im französischen Code Civil, S. 109.

aa) Verteilung des Nachlasses durch Vermächtnisse

 

Rz. 100

Nach französischem Recht können durch letztwillige Verfügung grundsätzlich keine Erben geschaffen werden. Der Nachlass kann vielmehr nur im Wege von Vermächtnissen verteilt werden. Der Vermächtnisnehmer muss vom Erblasser hinreichend bestimmt und fähig sein, aufgrund einer Verfügung von Todes wegen zu erwerben. Für Letzteres ist es gem. Art. 906 Abs. 2, 3 C.C. ausreichend, wenn die bedachte Person im Zeitpunkt des Todes gezeugt war, sofern sie später lebensfähig geboren wird. Besonderheiten gelten gem. Art. 909 C.C. für Angehörige bestimmter Berufsgruppen wie Ärzte oder Geistliche. Gemäß Art. 1002 C.C. ist zwischen Vermächtnissen, die den gesamten Nachlass, solchen, die nur einen Teil des Vermögens, und solchen, die nur einen einzelnen Gegenstand umfassen, zu unterscheiden.

bb) Universal- bzw. Erbvermächtnis

 

Rz. 101

Gemäß Art. 1003 C.C. ist ein Universal- bzw. Erbvermächtnis (legs universel) eine testamentarische Verfügung, durch die der Erblasser einer oder mehreren Personen das gesamte im Zeitpunkt seines Todes existierende Vermögen zuwendet. Es ist jedoch nur bedingt mit einer Alleinerbeinsetzung des deutschen Rechts vergleichbar. Wie sich aus dem Gesetzeswortlaut ergibt, ist ein Universalvermächtnisnehmer nicht notwendig Alleinberechtigter. Mehrere Personen können nebeneinander als légataires universels eingesetzt sein. Auch kann das Universalvermächtnis durch Pflichterbrechte oder durch die Anordnung von Einzelvermächtnissen wertmäßig weit hinter dem gesamten Nachlass zurückbleiben. Das wesentliche Charakteristikum des legs universel ist, dass dem Begünstigten nach dem Willen[86] des Erblassers eventuell der Gesamtnachlass zufällt.[87] Hierzu kann es kommen, wenn andere Mitvermächtnisnehmer (colégataires) oder Noterben durch Tod oder Ausschlagung wegfallen.

 

Rz. 102

Die Rechtsstellung des Universalvermächtnisnehmers ist weitgehend der Erbenstellung angeglichen. Er erwirbt das Eigentum an den ihm zugewendeten Gegenständen automatisch mit dem Erbfall. Die saisine steht ihm gem. Art. 1006 C.C. nur zu, wenn keine Pflichterben vorhanden sind. Anderenfalls muss er sich gem. Art. 1004 C.C. von den Vorbehaltserben durch die sog. demande en délivrance den Besitz übertragen lassen. Der Universallegatar haftet gem. Art. 785, 1009 C.C. im Verhältnis seines Anteils am Nachlass unbegrenzt für die Nachlassverbindlichkeiten.

[86] Zur Testamentsauslegung im französischem Recht Prévault, ZVglRWiss 84 (1985), 97.
[87] Beispiele bei Baumann, Gesetzliche Erbfolge und Möglichkeiten testamentarischer Erbeinsetzung im französischen Code Civil, S. 113 ff.

cc) Erbteilvermächtnis

 

Rz. 103

Gemäß Art. 1010 Abs. 1 C.C. ist ein Erbteilvermächtnis (legs à titre universel) eine letztwillige Anordnung, die auf die Zuwendung eines Vermögensbruchteiles oder auf die Zuwendung aller Mobilien oder Immobilien oder auf die Zuwendung eines Bruchteils der Mobilien oder Immobilien gerichtet ist. Auch die Zuwendung eines Nießbrauchs kann ein legs à titre universel sein, wenn sich der Nießbrauch auf den gesamten Nachlass oder einen Bruchteil davon bezieht. Im Unterschied zum Universalvermächtnisnehmer hat der durch ein Erbteilvermächtnis Bedachte nie die Aussicht auf Erwerb des gesamten Nachlasses. Auch der Erbteilsvermächtnisnehmer erwirbt das Eigentum an den zugewendeten Gegenständen automatisch mit dem Erbfall. Die saisine steht ihm nie zu, er muss sich gem. Art. 1011 C.C. den Besitz von den gesetzlichen Erben oder ggf. von einem mit der saisine versehenen Universalvermächtnisnehmer übertragen lassen. Wie der Universalvermächtnisnehmer haftet er gem. Art. 785, 1012 C.C. entsprechend seiner Quote am Nachlass ultra vires für die Nachlassverbindlichkeiten.

dd) Erbstückvermächtnis

 

Rz. 104

Gemäß Art. 1010 Abs. 2 C.C. ist jedes Vermächtnis, das weder Erb- noch Erbteilvermächtnis ist, ein Erbstückvermächtnis. Es handelt sich beim legs particulier um die Zuwendung eines oder mehrerer Einzelgegenstände. Unerheblich ist dabei, ob der betreffende Gegenstand wertmäßig einen Bruchteil oder sogar den gesamten Nachlass ausmacht. Der vermachte Gegenstand muss gem. Art. 1021 C.C. im Eigentum des Erblassers stehen, Ausnahmen hiervon gelten für das z.B. eine Geldsumme umfassende Gattungsvermächtnis. Zulässig ist auch ein Verschaffungsvermächtnis. Abgesehen vom Gattungs- und Verschaffungsvermächtnis, geht auch beim legs particulier das Eigentum an dem zugewendeten Gegenstand gem. Art. 1014 Abs. 1 C.C. bereits mit dem Tod auf den Vermächtnisnehmer über. Das legs particulier ist auf den ersten Blick damit ein sog. Vindikationslegat. Zur Ausübung seiner Rechte bedarf der Begünstigte jedoch gem. Art. 1014 Abs. 2 C.C. der délivrance durch den Beschwerten, auch wenn er sich bereits im Besitz des betreffenden Gegenstandes befindet. Er braucht also e...

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