I. Allgemeine Ehewirkungen
Rz. 46
Die allgemeinen persönlichen und vermögensrechtlichen Ehewirkungen sind in Art. 212 ff. CC geregelt. Die für alle Güterstände geltenden vermögensrechtlichen Wirkungen der Ehe werden dabei, auch wenn dieser Begriff im Gesetz nicht verwendet wird, als sog. régime matrimonial primaire bezeichnet.
1. Pflicht zur ehelichen Lebensgemeinschaft
Rz. 47
Nach Art. 212 CC sind die Ehegatten einander zu gegenseitigem Respekt, Treue, finanzieller Hilfeleistung und persönlichem Beistand (respect, fidélité, secours, assistance), nach Art. 215 Abs. 1 CC ferner zur ehelichen Lebensgemeinschaft (communauté de vie) verpflichtet. Hierunter ist insbesondere das Zusammenleben in häuslicher Gemeinschaft, die Pflicht zur Geschlechtsgemeinschaft sowie die Pflicht zu ehelicher Treue und gegenseitiger Achtung und Rücksichtnahme zu verstehen. Der Familienwohnsitz wird nach Art. 215 Abs. 2 CC von den Ehegatten gemeinsam festgelegt. Nach Art. 213 CC bestimmen die Ehegatten ferner gemeinsam die moralische und materielle Ausrichtung der Familie und kümmern sich gemeinsam um die Erziehung und Zukunft der Kinder.
Rz. 48
Diese allgemeinen Verpflichtungen sind gerichtlich nicht durchsetzbar, da dies mit ihrem Wesen und der persönlichen Freiheit der Ehegatten nicht vereinbar wäre. Folge der Nichterfüllung der ehelichen Pflichten kann jedoch ggf. eine spätere Trennung von Tisch und Bett bzw. Scheidung sein. Vereinbarungen über die persönlichen Ehewirkungen sind wegen des zwingenden Charakters grundsätzlich unzulässig.
2. Unterhaltspflicht
Rz. 49
Aus Art. 212 CC (secours) und Art. 214 CC (contribution aux charges du mariage) wird die gegenseitige Unterhaltspflicht der Ehegatten abgeleitet. Die frühere Unterscheidung und im Einzelfall schwierige Abgrenzung zwischen den beiden Vorschriften wird heute immer mehr zugunsten eines einheitlichen Unterhaltstatbestandes aufgegeben.
Rz. 50
Beide Ehegatten sind verpflichtet, die zum Leben erforderlichen Mittel zu beschaffen. Dies kann auch dadurch geschehen, dass ein Ehegatte berufstätig ist und der andere im Gegenzug den Haushalt führt. Die Regelung der internen Verteilung der Haushaltslasten erfolgt i.Ü. gem. Art. 214 CC in erster Linie durch Vereinbarung, hilfsweise gilt das Leistungsfähigkeitsprinzip. Die Unterhaltspflicht setzt Leistungsfähigkeit voraus; fehlt diese bei einem Ehegatten, z.B. weil er nicht berufstätig ist, so hat dies der andere auszugleichen.
Rz. 51
Auch der bei noch bestehender Ehe zu leistende Trennungsunterhalt folgt aus den vorgenannten Regelungen (siehe Rdn 49 f.). Einen besonderen Trennungsunterhalt regelt der Code Civil nicht. Im Falle der Trennung (séparation de fait) wandelt sich mangels Bestehens einer Lebensgemeinschaft die Verpflichtung, zum gemeinsamen Leben beizutragen bzw. den anderen Ehegatten finanziell zu unterstützen, ggf. in die Verpflichtung zur Zahlung einer Unterhaltsrente um. Dabei gibt es keine Tabellen oder Richtlinien über die Höhe des Unterhalts; dieser wird vielmehr im Einzelfall unter Berücksichtigung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse ermittelt.
Rz. 52
Kommt ein Ehegatte seinen Unterhaltspflichten nicht nach, kann der andere nach Art. 1070 ff. Code de procédure civile (CPC) den Unterhalt gerichtlich festsetzen lassen. Nach Art. L 213–3 Abs. 2 Nr. 3 lit. a) Code de l’organisation judiciaire ist das Tribunal judiciaire zuständig, das durch einen Familienrichter als Einzelrichter entscheidet (juge aux affaires familiales). Örtlich zuständig ist nach Art. 46 CPC der Familienrichter entweder am Wohnort des Schuldners oder der Familienrichter am Wohnort des Gläubigers. Unterhaltsurteile sind nach Art. 1074–1 Abs. 2 CPC kraft Gesetzes vorläufig vollstreckbar.
3. Verfügungsbefugnisse, Schlüsselgewalt
Rz. 53
Art. 216 CC stellt ausdrücklich klar, dass beide Ehegatten voll geschäftsfähig sind. Sie können sich gem. Art. 218 CC gegenseitig widerruflich Vollmacht erteilen. Beide haben gem. Art. 220 CC Schlüsselgewalt und können die für die Haushaltsführung und Kindeserziehung betreffenden üblichen und angemessenen Geschäfte selbstständig abschließen und den Partner als Gesamtschuldner verpflichten. Jeder Ehegatte hat das Recht zur freien Kontoeröffnung (Art. 221 Abs. 1 CC); er gilt gem. Art. 221 Abs. 2 CC ohne Rücksicht auf die güterrechtlichen Verhältnisse als verfügungsb...