I. Testamentseröffnung
Rz. 217
Die Nachlassabwicklung liegt in Frankreich weitgehend in den Händen des Notars. Dies gilt auch, wenn es sich um den Nachlass von Ausländern handelt. Ein förmliches Verfahren zur Testamentseröffnung gibt es in Frankreich nicht. Notarielle Testamente muss der Notar innerhalb eines Monats bei der Urkundensteuerstelle in Kopie einreichen und registrieren lassen. Privatschriftliche Testamente sind gem. Art. 1007 C.C. einem Notar abzuliefern. Dieser öffnet das Testament, falls es verschlossen ist. Über die Öffnung des Testaments und die getroffenen Feststellungen zum Zustand des Testaments errichtet der Notar eine Niederschrift. Die Originale werden beim Notar verwahrt, innerhalb eines Monats hat der Notar nach Art. 1007 Abs. 2 C.C. eine Ausfertigung des Eröffnungsprotokolls und eine Abschrift des Testaments beim Tribunal judiciaire am letzten Wohnort des Verstorbenen abzuliefern, ferner hat er das Testament bei der Urkundensteuerstelle registrieren zu lassen. Im Ausland errichtete Testamente können zur Sicherstellung der französischen Erbschaftsteuer nach Art. 1000 C.C. bezüglich des in Frankreich belegenen Vermögens nur ausgeführt werden, wenn sie bei der zuständigen Urkundensteuerstelle am letzten Wohnsitz des Erblassers und am Belegenheitsort von Immobilien registriert worden sind. Dies gilt auch bei Vorliegen eines Europäischen Nachlasszeugnisses.
II. Vorläufige gerichtliche Sicherungsmaßnahmen
Rz. 218
Ist kein Erbe vorhanden, schlagen alle Erben aus oder hat nach sechs Monaten noch kein Erbe die Erbschaft angenommen, liegt eine sog. succession vacante nach Art. 809 ff. C.C. vor. In diesem Fall kann gerichtlich die staatliche Domänenverwaltung als Nachlasspfleger (curateur) bestellt werden. Dieser hat gem. Art. 810 ff. C.C. zunächst die Aufgabe, vorläufige Sicherungsmaßmaßnahmen zu treffen und dringliche Geschäfte abzuwickeln, erst nach sechs Monaten hat er – wenn auch eingeschränkt – echte Verwaltungs- und Abwicklungsbefugnisse nach Art. 810–2 f. C.C. Liegt zwar keine succession vacante vor, weil Erben tatsächlich vorhanden sind, sind diese aber untätig oder untereinander uneinig, so kann gerichtlich auf Antrag nach Art. 813–1 C.C. ein Beauftragter eingesetzt werden. Dessen Aufgaben werden im Rahmen von Art. 813–2 C.C. vom Gericht bestimmt.
III. Nachweis der Erbeneigenschaft
1. Unstreitige Sachverhalte
Rz. 219
Ein dem deutschen Recht vergleichbares, förmliches Erbscheinsverfahren ist dem französischen Recht fremd. Nach Art. 730 C.C. kann die Erbenstellung durch alle Beweismittel nachgewiesen werden. In der Praxis werden bei unstreitigen Sachverhalten notarielle Urkunden zum Nachweis der Erbeneigenschaft verwendet. Die geläufigste und in den Art. 730–1 ff. C.C. einzige gesetzlich geregelte Form ist der sog. acte de notoriété, der von einem Notar auf Antrag eines oder mehrerer Erben errichtet wird. Dem Notar sind dabei Verfügungen von Todes wegen, Eheverträge und amtliche Dokumente wie Sterbeurkunden oder Auszüge aus dem Familienbuch und dem Heiratsregister vorzulegen. Im acte de notoriété sind nach Art. 730–1 Abs. 2 C.C. die Grundlagen, auf denen die Feststellungen des Notars zum Erbrecht beruhen, anzugeben. Ferner enthält der acte de notoriété die unterschriebene Versicherung der Antragsteller, dass sie nach ihrer Kenntnis zur Erbschaft berufen sind. Der Notar kann nach Art. 730–1 Abs. 4 C.C. alle Personen, deren Aussage ihm nützlich erscheint, bei der Errichtung zuziehen.
Rz. 220
Ein acte de notoriété erbringt im Rechtsverkehr nach Art. 730–3 C.C. bis zum Beweis des Gegenteils den Beweis der Erbenstellung. Er entfaltet nach Art. 730–4 C.C. Gutglaubensschutz zugunsten von Dritten, die mit einem Scheinerben Geschäfte abschließen. Stellt sich die Unrichtigkeit der Urkunde heraus, so kommt es nicht zu einem amtlichen Einziehungsverfahren, es wird vielmehr ein neuer, inhaltlich richtiger acte de notoriété errichtet.
Rz. 221
Hat der Erblasser ausschließlich Verwandte in gerader Linie (also auch keinen Ehegatten) hinterlassen und ist keine letztwillige Verfügung und kein Ehevertrag vorhanden und ist über die Erbenstellung kein Rechtsstreit anhängig und diese auch nicht bestritten, so ist nach Art. L 312–1–4 Code monétare et financier im Bankenverkehr für die Verfügung über eine bestimmte (durch Erlass des Wirtschaftsministers festgelegte), für vorläufige und sichernde Maßnahmen i.S.v. Art. 784 Nr. 1 C.C. (z.B. Beerdigungskosten, offene Arztrechnungen, Steuerschulden) zu verwendende Geldsumme (derzeit 5.000 EUR) gegen Nachweis kein notarieller acte de notoriété nötig. Ausreichend ist vielmehr, wenn sämtliche Verwandten in gerader Linie die vorstehenden Angaben versichern und durch Urkunden (Geburtsurkunden des Verstorbenen und der Erben, Bestätigung des zentralen Testamentsregisters, dass keine letztwillige Verfügung vorliegt) nachweisen. Gehört zum Nachlass kein Immobilienvermögen, gilt dies generell, wenn das Bankvermögen eine bestimmte (durch Erlass des Wirtschaftsministers festgelegte) Summe (derzeit 5.000 EUR) ...