Rz. 28
Aus französischer Perspektive stellt sich außerdem eine interessante Folgefrage, wenn man für die Frage des Eigentumsübergangs vom Vorrang des Erbstatuts ausgehen will. Besitzt etwa ein deutscher Staatsangehöriger mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland eine Immobilie in Frankreich und hat er in seinem Testament diesbezüglich ein Vermächtnis zugunsten seiner Lebensgefährtin angeordnet, so ist fraglich, wie diese nach seinem Ableben beim service chargé de la publicité foncière (vormals: bureau des hypothèques) als neue Eigentümerin registriert werden kann. Das formelle Grundbuchrecht ist in Frankreich im Wesentlichen in zwei Dekreten aus dem Jahr 1955 geregelt, nämlich Dekret Nr. 55–22 vom 4.1.1955 und Dekret Nr. 55–1350 vom 14.10.1955. Ergänzend bestimmt der mit Gesetz vom 28.3.2011 neu eingeführte Art. 710–1 C.C., dass nur von einem französischen Notar errichtete Urkunden beim service chargé de la publicité foncière registriert werden können. Jeder Vorgang, der die Übertragung von Rechten an Immobilien zum Gegenstand hat, muss registriert werden, echte Grundbucheintragungen erfolgen dagegen nicht. Eine Nichtregistrierung hat zwar nicht die Unwirksamkeit des betreffenden Rechtsgeschäfts zur Folge, die Eintragung ist also nicht konstitutiv. Drittwirkung (opposabilité aux tiers) erlangen die betreffenden Vorgänge jedoch erst, sobald sie im Register veröffentlicht werden. Ein gutgläubiger Erwerb ist nicht möglich. Eine registrierte Urkunde gilt als Eigentumsnachweis. Die Feststellung des aktuellen Eigentümers erfolgt durch Ermittlung einer Kette von Vorpublikationen, die wegen Art. 2227 C.C. für einen Zeitraum von 30 Jahren nicht unterbrochen sein darf. Eine Registrierung aufgrund Erbfolge kann gem. Art. 29, 28 Nr. 3 des Dekrets Nr. 55–22 vom 4.1.1955, Art. 69 des Dekrets Nr. 55–1350 vom 14.10.1955 nur aufgrund einer sog. attestation notariée erfolgen. Diese stellt eine notarielle Bestätigung über die Erbfolge dar, die bestimmte inhaltliche Anforderungen erfüllen muss, welche über die Angaben in einem Europäischen Nachlasszeugnis hinausgehen, und wegen Art. 710–1 C.C. nur von einem französischen Notar ausgestellt werden kann.
Rz. 29
Bei Anwendbarkeit deutschen Erbrechts und der Annahme, dass sich wegen Art. 23 Abs. 2 lit. e) EuErbVO der Eigentumsübergang allein nach dem Erbstatut vollzieht, bedeutet dies konsequenterweise, dass – da es sich um ein deutsches Damnationslegat handelt – zur Erfüllung eines Vermächtnisses an dem betreffenden Grundstück in Frankreich eine Auflassung erforderlich ist. Eine Eintragung im eigentlichen Sinn beim service chargé de la publicité foncière kann von vornherein keine Voraussetzung für den Eigentumsübergang sein, da eine solche Eintragung in Frankreich gar nicht möglich ist. Inzwischen scheint sich in der Praxis in derartigen Fällen die Handhabung durchzusetzen, dass vor einem deutschen Notar bzgl. des in Frankreich belegenen Grundbesitzes ein Vermächtniserfüllungsvertrag nebst Auflassung beurkundet wird, um die Voraussetzungen des als Erbstatut berufenen deutschen Rechts zu erfüllen. Die Umsetzung dieser Vermächtniserfüllung beim service chargé de la publicité foncière erfolgt dann durch einen französischen Notar aufgrund einer von ihm ausgestellten attestation notariée.
Rz. 30
Der Vorrang in Art. 1 Abs. 2 lit. l) EuErbVO wird in der französischen Literatur bisher so verstanden, dass die Verordnung sämtliche Fragen des französischen Grundbuchverkehrs ausklammert. Auch nach Inkrafttreten der EuErbVO sei ein Europäisches Nachlasszeugnis für den französischen Grundbuchverkehr schon deshalb nicht tauglich, da es nicht die gleichen Informationen enthält wie eine attestation notariée. Ferner wird ein ausländisches Europäisches Nachlasszeugnis wegen Art. 710–1 C.C. auch deshalb von vornherein als für den französischen Grundbuchverkehr ungeeignet angesehen, weil es sich nicht um eine von einem französischen Notar errichtete Urkunde handelt. Es müsse – und dies sei aufgrund Art. 1 Abs. 2 lit. l) EuErbVO ausdrücklich so vorgesehen – in jedem Fall noch von einem französischen Notar eine attestation notariée ausgestellt werden. Insgesamt wird in Frankreich damit davon ausgegangen, dass die Verordnung auf das französische Grundbuchsystem keine Auswirkung hat. Auf den ersten Blick wäre das Europäische Nachlasszeugnis in diesem Zusammenhang damit wertlos. Zwar werden in dieses nach Art. 68 lit. l) EuErbVO (alle) Vermächtnisse aufgenommen werden, es stellt allerdings nach Art. 63 Abs. 1 EuErbVO nur für Vermächtnisnehmer mit unmittelbarer Berechtigung am Nachlass ein taugliches Beweismittel dar, was bei einem deutschen Damnationslegat gerade nicht der Fall ist. Das Europäische Nachlasszeugnis ist nach französischer Auffassung aber in diesen Fällen dennoch nicht sinnlos, da es dem Begünstigten immerhin den Nachweis seiner Stellung als Vermächtnisnehmer an sich erlaube. Mehr aber auch nicht.