Rz. 93
Nach dem in Art. 1395, 1396 Abs. 2 CC immer noch verankerten Unwandelbarkeitsgrundsatz sind ehevertragliche Vereinbarungen und ihre Abänderung grundsätzlich nur vor der Ehe zulässig. Diese starre Regelung soll vor allem dem Gläubigerschutz dienen. Verstöße gegen das principe d’immutabilité führen zur absoluten Nichtigkeit der Abänderungsvereinbarung, die von jedem geltend gemacht werden kann und nicht gerichtlich ausgesprochen werden muss.
Rz. 94
Abänderungen des Ehevertrages vor Eheschließung müssen gem. Art. 1396 Abs. 1 CC unter gleichzeitiger Anwesenheit und Zustimmung aller am ursprünglichen Vertrag beteiligten Personen notariell beurkundet werden. Die neuen Vereinbarungen (contre-lettres) sind gem. Art. 1396 Abs. 2 CC Dritten gegenüber nur wirksam, wenn sie dem Original des ursprünglichen Ehevertrages beigeschrieben worden sind.
Rz. 95
Seit der Güterrechtsreform aus dem Jahre 1965 gilt der Unwandelbarkeitsgrundsatz allerdings nicht mehr uneingeschränkt. Es besteht vielmehr seitdem gem. Art. 1396 Abs. 3, 1397 CC die – nach wie vor nur – begrenzte Zulässigkeit der Änderung des Güterstandes noch nach Eheschließung. Diese Möglichkeit wird in Frankreich inzwischen häufig wahrgenommen.
Rz. 96
Nach der Eheschließung ist gem. Art. 1396 Abs. 3, 1397 CC eine Änderung des Güterstandes nunmehr unter folgenden Voraussetzungen zulässig: Art. 1397 Abs. 1 S. 1 CC verlangt zunächst, dass die Änderungen im Familieninteresse liegen. Der notariell zu beurkundende neue Ehevertrag muss nach Art. 1397 Abs. 1 S. 2 CC außerdem zwingend die Abwicklung des bisherigen Güterstandes regeln. Bis zum 25.3.2019 konnte ferner ein Ehevertrag nach Eheschließung nur abgeschlossen werden, wenn der bisherige Güterstand mindestens zwei Jahre bestanden hatte; diese Wartefrist wurde aufgehoben.
Rz. 97
Nach Art. 1397 Abs. 2 S. 1 CC werden alle Personen, die am ursprünglichen Ehevertrag beteiligt waren, und alle volljährigen Kinder persönlich über die Änderungen informiert. Diese Personen müssen den Änderungen nicht zustimmen, sie können ihnen jedoch nach Art. 1397 Abs. 2 S. 2 CC innerhalb von drei Monaten widersprechen. Nach Art. 1397 Abs. 2 S. 3 CC wird bei volljährigen Kindern, die einem gesetzlichen Schutzregime, z.B. bei angeordneter Vormundschaft, unterliegen, deren gesetzlicher Vertreter informiert, der in eigener Verantwortung ohne gerichtliche Zustimmung Widerspruch einlegen kann. Gläubiger der Ehegatten werden gem. Art. 1397 Abs. 3 S. 1 CC durch eine Veröffentlichung in einer Zeitung informiert. Sie können sich nach Art. 1397 Abs. 3 S. 2 CC innerhalb von drei Monaten nach der Veröffentlichung den Änderungen widersetzen. Der Widerspruch erfolgt gem. Art. 1300–1 CPC gegenüber dem Notar, der die Ehegatten hierüber informiert. Diese können dann nach Art. 1397 Abs. 4 S. 1 CC eine gerichtliche Genehmigung (homologation) beantragen. Gemäß Art. 1300–4 ff. CPC ist für die Genehmigung der Familienrichter (juge aux affaires familiales) beim Tribunal judiciaire am Familienwohnort in einem Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit zuständig. Die Genehmigung wird erteilt, wenn die neuen Vereinbarungen nach umfassender Würdigung des Einzelfalls im Interesse der Familie liegen. Die Auslegung des Begriffs der intérêts de la famille ist nicht abschließend geklärt. Das Gericht hat jedenfalls alle Umstände des Einzelfalls umfassend zu würdigen und abzuwägen. Allein die Befürchtung, dass einem Familienangehörigen hinsichtlich seines Noterbrechts Nachteile entstehen, führt nach der Rspr. nicht zwingend zur Versagung der Genehmigung. Der Antrag und die Genehmigung selbst werden nach Art. 1397 Abs. 4 S. 2 CC veröffentlicht. Dies geschieht gem. Art. 1059 CPC durch Niederlegung im répertoire civil, einem Personenstandsregister, am Geburtsort der Ehegatten und durch Eintragung in die Geburtsurkunden. Weiterhin müssen die Änderungen gem. Art. 1397 Abs. 6 S. 1 CC auf den Heiratsurkunden der Ehegatten und ggf. gem. Art. 1397 Abs. 7 CC auf dem Original des ursprünglichen Ehevertrages vermerkt werden.
Rz. 98
Wird dem neuen Ehevertrag von keiner Seite widersprochen und sind keine minderjährigen Kinder vorhanden, so ist eine gerichtliche Genehmigung nicht mehr erforderlich. Sind minderjährige Kinder (eines oder beider Ehegatten) vorhanden, so bedurfte der neue Ehevertrag bis 22.3.2019 nach Art. 1397 Abs. 5 CC a.F. immer der gerichtlichen Genehmigung. Seither ist zu unterscheiden, ob ein vorhandenes minderjähriges Kind unter Vormundschaft (tutelle) steht oder das allgemeine gesetzliche elterliche Sorgerecht besteht. In ersterem Fall wird nach Art. 1397 Abs. 2 S. 3 CC wie bei volljährigen Kindern, die einem gesetzlichen Schutzregime unterliegen, der Vormund informiert, der nach eigenem Ermessen Widerspruch gegen die Änderungen einlegen kann, worauf die Ehegatten eine gerichtliche Genehmigung beantragen können. Bei gesetzlichem Sorgerecht kann der mit der Beurkundung des neuen Ehevertrages beauftragte Notar nach Art. 1397 Abs. 5 i.V.m. Art. 387–3 ...