Rz. 106

Die Anordnung von Vor- und Nacherbfolge (substitution fidéicommissaire) war bis 1.1.2007 gem. Art. 896 Abs. 1 C.C. a.F. verboten und führte gem. Art. 896 Abs. 2 C.C. a.F. zur Nichtigkeit auch der Vorerbeinsetzung. Dieses Verbot konnte allenfalls gem. Art. 899 C.C. durch Zuwendung des lebenslangen Nießbrauchs an einen Erstbedachten und Zuwendung des bloßen Eigentums an eine andere Person umgangen werden. Zulässig war auch das sog. legs de residuo, bei dem der Erstbedachte zwar verpflichtet ist, den zugewendeten Gegenstand an einen Dritten weiterzugeben, allerdings nur, wenn und soweit dieser noch vorhanden ist, so dass keine Erhaltungspflicht zugunsten des Zweitbedachten besteht.[88] Von der Rechtsprechung gebilligt wurde auch die Anordnung eines bedingten Doppelvermächtnisses, also die Einsetzung eines Bedachten unter einer auflösenden Bedingung, bei deren Eintritt der Nachlass einer anderen Person zufällt. Ferner gab es zwei ausdrücklich geregelte Ausnahmen vom Verbot der substitution fidéicommissaire, nämlich gem. Art. 1048 C.C. a.F. die Einsetzung der Kinder zu Vor- und der Enkel zu Nacherben und gem. Art. 1049 C.C. a.F. bei kinderlosen Erblassern die Einsetzung von Geschwistern zu Vor- und von Geschwisterkindern zu Nacherben.

 

Rz. 107

Seit der Erbrechtsreform ist in Art. 896 C.C. n.F. immer noch der Grundsatz des Verbots der Vor- und Nacherbschaft enthalten. Der Code Civil enthält jedoch nun in den Art. 1048–1061 C.C. unter dem Begriff der libéralités graduelles et résiduelles bedeutende Ausnahmen von diesem Verbot. Bei einer libéralité graduelle handelt es sich nach Art. 1048 C.C. um eine Zuwendung, die mit der Auflage verbunden ist, dass der Begünstigte das Zugewendete bewahren und bei seinem Tod an einen bestimmten Dritten weitergeben muss. Nach der allgemeinen Systematik der libéralités kann es sich bei einer solchen Zuwendung sowohl um eine Schenkung als auch um ein Testament handeln. Nach Art. 1049 Abs. 1 C.C. kann sich eine solche Bestimmung nur auf Gegenstände beziehen, die im Zeitpunkt der Anordnung bestimmt oder bestimmbar sind und im Zeitpunkt des Todes noch in Natur vorhanden sind. Bei Wertpapieren bezieht sich die Zuwendung nach Art. 1049 Abs. 2 C.C. auch auf Surrogate. Bei Immobilien ist – um der Vereinbarung Drittwirkung zu verschaffen – nach Art. 1049 Abs. 3 C.C. eine Veröffentlichung beim service chargé de la publicité foncière erforderlich. Eine weitere gesetzliche Absicherung des Zweitbedachten ist nicht vorgesehen, vielmehr obliegt und steht es nach Art. 1052 C.C. dem Verfügenden frei, Sicherheiten zugunsten des Zweitbedachten anzuordnen, um den Übergang des Zugewendeten an diesen sicherzustellen. Die Begünstigung entsteht für den Zweitbegünstigten nach Art. 1050 Abs. 1 C.C. im Zeitpunkt des Todes des Beschwerten, Letzterer kann jedoch nach Art. 1050 Abs. 2 C.C. bereits vorher die Nutznießung aufgeben und auf den Zweitbegünstigten übertragen, sofern dadurch Gläubiger nach Art. 1050 Abs. 3 C.C. nicht beeinträchtigt werden. Nach Art. 1051 C.C. gilt die Zuwendung als vom Erblasser an den Zweitbegünstigten erfolgt. Wenn der Beschwerte zugleich Noterbe ist, kann sich nach Art. 1054 Abs. 1 C.C. die Auflage nur auf die frei verfügbare Quote beziehen, anderenfalls kann der Beschwerte bei einem Testament nach Art. 1054 Abs. 3 C.C. innerhalb eines Jahres nach Kenntnis vom Testament verlangen, dass seine Noterbschaft von der Auflage befreit wird. Nach Art. 1054 Abs. 2 und 4 C.C. kann bei einer Schenkung im Einvernehmen mit dem Beschwerten in der Schenkung selbst oder durch eine eigene Verzichtsurkunde entsprechend Art. 930 C.C. vor dem Ableben des Erblassers vereinbart werden, dass dieser bei Beeinträchtigung seines Noterbrechts auf die Befreiung von der Beschwerung verzichtet; in diesem Fall sind Zweitbegünstigte automatisch alle seine Kinder. Bei Vorversterben des Zweitbegünstigten oder bei dessen Verzicht fallen nach Art. 1056 C.C. die Gegenstände in den Nachlass des Beschwerten, es können jedoch auch Ersatznacherben bestimmt werden.

 

Rz. 108

Bei einer libéralité résiduelle nach Art. 1057 ff. C.C. trifft den Beschwerten keine Verpflichtung zur Erhaltung des Gegenstandes, der Zweitbegünstigte erhält vielmehr beim Ableben des Beschwerten nur dasjenige, was von dem betreffenden Gegenstand noch übrig ist, nicht jedoch Surrogate. Der Beschwerte kann allerdings nach Art. 1059 Abs. 1 C.C. nicht letztwillig über den Gegenstand verfügen, unentgeltliche Verfügungen unter Lebenden können ihm nach Art. 1059 Abs. 2 C.C. untersagt werden. Er behält nach Art. 1059 Abs. 3 C.C. in jedem Fall die Freiheit, letztwillig oder unter Lebenden unentgeltlich über das Zugewendete zu disponieren, wenn er Noterbe ist und er die Gegenstände als Voraus auf sein Noterbe erhalten hat. Im Übrigen gelten die Vorschriften der Art. 1049, 1051, 1052 und 1056 C.C. entsprechend.

[88] Terré/Lequette/Gaudemet, Successions, Libéralités, Rn 620; Vorin/Goubeaux, Bd. 2 Rn 917.

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