aa) Einleitung
Rz. 26
Auch in Frankreich war die Sorge groß, dass es durch die EuErbVO zu einer Aushöhlung des ausdifferenzierten Systems öffentlicher Register, insbesondere des Grundbuchsystems, kommen könnte. Die im endgültigen Verordnungstext enthaltenen Ergänzungen in diesem Bereich erfolgten nicht zuletzt auch auf Betreiben Frankreichs. Begrüßt wurde daher in Frankreich insbesondere die Einfügung von Art. 1 Abs. 2 lit. l) EuErbVO, der im Entwurf vom 14.10.2009 noch nicht enthalten war und der jede Eintragung von Rechten an beweglichen oder unbeweglichen Vermögensgegenständen in einem Register, einschließlich der gesetzlichen Voraussetzungen für eine solche Eintragung, sowie die Wirkungen der Eintragung oder der fehlenden Eintragung solcher Rechte in einem Register, vom Anwendungsbereich der Verordnung ausnimmt. Allgemein zur Abgrenzung zwischen Sach- und Erbstatut siehe die Ausführungen in § 3 Rdn 108.
Im deutsch-französischen Rechtsverkehr sind in diesem Zusammenhang folgende Bereiche interessant:
bb) Französisches legs particulier an deutschem Grundbesitz
Rz. 27
Bei Geltung französischen Erbrechts stellt sich die Frage, wie ein Grundstücksvermächtnis an Immobilien in Deutschland im Grundbuch vollzogen werden soll. Vollzieht sich der Eigentumsübergang entgegen der deutschen lex rei sitae (Vorrang des Erbrechts) oder ist für in Deutschland belegenen Grundbesitz eine Vermächtniserfüllung, insbesondere eine Auflassung erforderlich (Vorrang der lex rei sitae bzw. der Erfordernisse des Registerrechts)? Das französische Recht verlangt beim Erbstückvermächtnis (legs particulier; siehe Rdn 107) – schon weil ihm das Abstraktionsprinzip fremd ist – keine weiteren Übereignungsakte vom Erben auf den Vermächtnisnehmer, dafür aber – teilweise abhängig von der jeweiligen Konstellation – zur Ausübung der Rechte aus dem Vermächtnisgegenstand eine Besitzeinweisung oder Übergabe des Gegenstandes (sog. délivrance nach Art. 1014 Abs. 2 C.C.). Dies gilt selbst dann, wenn sich der Vermächtnisnehmer bereits im Besitz der Sache befindet. Unklar ist daher, ob es sich beim französischen legs particulier um ein "echtes" Vindikationslegat handelt, so dass die in der Kubicka-Entscheidung des EuGH vom 12.10.2017 bestätigte Auffassung, die stets dem Erbstatut den Vorrang einräumen will, bereits aus diesem Grund hier an ihre Grenzen stößt. Kann und muss der Rechtspfleger beim deutschen Grundbuchamt etwa zum Vollzug eines französischen legs particulier einen Nachweis der délivrance verlangen? Wenn ja, in welcher Form? Bei einem nach französischem Recht zulässigen Verschaffungsvermächtnis, bei dem der Vermächtnisgegenstand vom Beschwerten erst angeschafft werden muss, ist im Übrigen ein Eigentumsübergang ohne weitere Rechtsakte von vornherein nicht möglich. Entsprechend ist die Situation beim Gattungsvermächtnis. Auch Lagarde, einer der Väter der EuErbVO, ging übrigens wie selbstverständlich davon aus, dass ein französisches legs particulier wegen Art. 31 EuErbVO für ein in Deutschland belegenes Grundstück in ein Damnationslegat umzudeuten ist.
cc) Deutsches Vermächtnis an französischem Grundbesitz
Rz. 28
Aus französischer Perspektive stellt sich außerdem eine interessante Folgefrage, wenn man für die Frage des Eigentumsübergangs vom Vorrang des Erbstatuts ausgehen will. Besitzt etwa ein deutscher Staatsangehöriger mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland eine Immobilie in Frankreich und hat er in seinem Testament diesbezüglich ein Vermächtnis zugunsten seiner Lebensgefährtin angeordnet, so ist fraglich, wie diese nach seinem Ableben beim service chargé de la publicité foncière (vormals: bureau des hypothèques) als neue Eigentümerin registriert werden kann. Das formelle Grundbuchrecht ist in Frankreich im Wesentlichen in zwei Dekreten aus dem Jahr 1955 geregelt, nämlich Dekret Nr. 55–22 vom 4.1.1955 und Dekret Nr. 55–1350 vom 14.10.1955. Ergänzend bestimmt der mit Gesetz vom 28.3.2011 neu eingeführte Art. 710–1 C.C., dass nur von einem französischen Notar errichtete Urkunden beim service chargé de la publicité foncière registriert werden können. Jeder Vorgang, der die Übertragung von Rechten an Immobilien zum Gegenstand hat, muss registriert werden, echte Grundbucheintragungen erfolgen dagegen nicht. Eine Nichtregistrierung hat zwar nicht die Unwirksamkeit des betreffenden Rechtsgeschäfts zur Folge, die Eintragung ist also nicht konstitutiv. Drittwirkung (opposabilité aux tiers) erlangen die betreffenden Vorgänge jedoch erst, sobald sie im Register veröffentlicht werden. Ein gutgläubiger Erwerb ist nicht möglich. Eine registrierte Urkunde gilt als Eigentumsnachweis. Die Feststellung des aktuellen Eigentümers erfolgt durch Ermittlung einer Kette von Vorpublikationen, die wegen Art. 2227 C.C. für einen Zeitraum von 30 Jahren nicht unterbrochen sein darf. Eine Registrierung aufgr...