Rz. 146

Eine Scheidung konnte bis 2017 in Frankreich nur gerichtlich ausgesprochen werden. Seit 1.1.2017 gibt es in Frankreich nach Art. 229–1 ff. CC die Möglichkeit der einvernehmlichen außergerichtlichen Scheidung (siehe Rdn 152 ff.), die in der Praxis sehr schnell von vielen Scheidungswilligen auch wahrgenommen wurde.

 

Rz. 147

Bis zur Scheidungsreform im Jahre 1975 galt in Frankreich das absolute Schuldprinzip, d.h., eine Scheidung war nur möglich, wenn ein Ehegatte seine ehelichen Pflichten gegenüber dem anderen Ehegatten grob verletzte, was in der Praxis bei tatsächlich einvernehmlichen Scheidungen dazu zwang, ein Fehlverhalten zu konstruieren bzw. vorzugeben.

 

Rz. 148

Mit Gesetz Nr. 75–617 portant réfome du divorce vom 11.7.1975 wurde das Scheidungsrecht grundlegend reformiert, es wurde eine Dreiteilung der Scheidungsgründe eingeführt: einvernehmliche Scheidung (divorce par consentement mutuel nach Art. 230 ff. CC a.F. auf gemeinsamen Antrag der Ehegatten oder einseitigem, vom anderen Ehegatten akzeptierten Antrag), Scheidung wegen dauerhafter Auflösung der ehelichen Gemeinschaft, insbesondere nach mindestens sechsjähriger Trennung (divorce pour rupture de la vie commune nach Art. 237 ff. CC a.F.), sowie die Verschuldensscheidung (divorce pour faute nach Art. 242 ff. CC a.F.). In der Praxis war bisher die einvernehmliche Scheidung am häufigsten, 2001 z.B. waren 61 % der Scheidungen einvernehmlich, aber auch die Verschuldensscheidung war – wegen der unterschiedlichen Scheidungsfolgen – mit 38 % sehr häufig, wogegen die Scheidung wegen dauerhafter Auflösung der Lebensgemeinschaft – wohl wegen der langen Getrenntlebensvoraussetzung – mit ca. 1 % eher marginal geblieben ist. Vergleicht man die Zahl der Eheschließungen mit der Zahl der Scheidungen, so ergibt sich auch in Frankreich ein starker Anstieg der geschiedenen Ehen. 1950 wurden lediglich 10 % der Ehen geschieden, 1978 waren es 20 %, 1985 bereits 30 %, 2001 waren es bereits 38 %, 2003 42 %.[89] Die durchschnittliche Dauer eines einvernehmlichen Scheidungsverfahrens lag 2001 bei über 9 Monaten, bei einer Verschuldensscheidung betrug sie das Doppelte.

 

Rz. 149

Am 1.1.2005 trat in Frankreich ein reformiertes Scheidungsrecht in Kraft, das durch Gesetz Nr. 2004–439 vom 26.5.2004 eingeführt wurde. Lange war eine Aufgabe der Verschuldensscheidung diskutiert worden, letztlich wurde die Möglichkeit der divorce pour faute jedoch beibehalten, ihre Folgen wurden jedoch grundlegend verändert und sie wurde allgemein uninteressanter gemacht. Durch die Reform wurde i.Ü. die einvernehmliche Scheidung gestärkt sowie die Scheidung wegen Zerrüttung der ehelichen Gemeinschaft insbesondere durch eine Herabsetzung der erforderlichen Getrenntlebensdauer auf zwei Jahre erleichtert. Das gerichtliche Scheidungsverfahren ist teilweise im Code Civil selbst, i.Ü. ergänzend in den Art. 1070 ff. CPC geregelt. Im Zuge der Justizreform durch Gesetz vom 23.3.2019 wurde auch das gerichtliche Scheidungsverfahren teilweise vereinfacht, wobei aufgrund der Corona-Krise das Inkrafttreten dieser Regelungen mit Gesetz vom 17.6.2020 nach derzeitigem Stand auf den 1.1.2021 verschoben wurde.

 

Rz. 150

Die Kosten einer einvernehmlichen gerichtlichen Scheidung, bei der in der Regel nur ein Rechtsanwalt beteiligt ist, dürften durchschnittlich bei etwa 3.000 EUR liegen,[90] bei den anderen Scheidungsarten bereits aufgrund der Notwendigkeit der Zuziehung von zwei Rechtsanwälten in der Regel erheblich höher.

[89] Zahlen nach Courbe/Gouttenoire, Droit de la famille, 6. Aufl. 2013, Nr. 382 ff.; siehe auch Cornu, Droit civile, La famille, Nr. 319 a.E.
[90] Vgl. Courbe/Gouttenoire, Droit de la famille, Nr. 600.

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