Rz. 94
Die gewillkürte Erbfolge ist zusammen mit den Schenkungen unter Lebenden im II. Titel des Dritten Buches (Art. 893–1099–1 C.C.) geregelt. Schenkungen und Testamente werden dabei unter dem Oberbegriff "libéralités" zusammengefasst.
1. Das einseitige Testament
a) Wirksamkeitserfordernisse
Rz. 95
Das französische Recht kennt gem. Art. 969 C.C. drei Formen ordentlicher Testamente. Formverstöße führen gem. Art. 1001 C.C. zur absoluten Nichtigkeit des Testaments, das Testament ist also ipso iure nichtig und muss nicht angefochten werden.
Rz. 96
Das holographische Testament muss gem. Art. 970 C.C. eigenhändig ge- und unterschrieben und datiert sein.
Rz. 97
Das öffentliche Testament wird gem. Art. 971 C.C. vor zwei Notaren oder einem Notar und zwei Zeugen errichtet und zwar gem. Art. 972–974 C.C. in der Weise, dass der Erblasser den Inhalt diktiert, der Notar den Text niederschreibt, ihn anschließend noch einmal vorliest und schließlich alle unterschreiben. Die Zeugen müssen nach Art. 980 S. 1 C.C. französisch sprechen und volljährig sein, die französische Staatsangehörigkeit ist nicht mehr erforderlich. Im Testament begünstigte Personen und deren Angehörige bis zum vierten Grad sowie Notarangestellte können nach Art. 975 C.C. nicht Zeugen sein, ebenso wenig nach Art. 980 S. 2 C.C. gleichzeitig beide Ehegatten beim Testament eines Dritten. Notarielle Testamente werden in Frankreich beim fichier central des dispositions de dernièrs volonté in Aix en Provence (Adresse: 95 avenue des Logissons, F-13107 Venelles Cedex), einer von den französischen Notaren eingerichteten halbstaatlichen Stelle, gegen Zahlung einer relativ geringen Gebühr registriert, um ein Auffinden nach dem Tod des Erblassers zu erleichtern. Auskünfte aus dem Register erhält jeder Notar gegen Vorlage einer Sterbeurkunde. Im internationalen Rechtsverkehr ist zusätzlich das "Baseler Europäische Übereinkommen über die Errichtung einer Organisation zur Registrierung von Testamenten vom 16.5.1972" zu beachten, das für Frankreich, anders als für Deutschland, in Kraft getreten ist. Demnach ist die Registrierung in oben genanntem Register unabhängig von der Nationalität oder dem Aufenthaltsort des Testierenden, so dass auch vor einem ausländischen Notar errichtete letztwillige Verfügungen registriert werden können. Nach dem Tod einer Person kann jeder gegen Vorlage einer Sterbeurkunde Auskunft erhalten, ob und wenn ja welche letztwilligen Verfügungen des Verstorbenen beim oben genannten Testamentsregister hinterlegt sind.
Rz. 98
Das wenig gebräuchliche mystische Testament wird gem. Art. 976 C.C. vom Erblasser selbst oder auf seinen Wunsch von einem Dritten niedergeschrieben, vom Erblasser unterschrieben, verschlossen und versiegelt einem Notar in Gegenwart von zwei Zeugen übergeben.
Rz. 99
Der Erblasser muss im Zeitpunkt der Errichtung testierfähig gewesen sein. Hierzu ist gem. Art. 901 S. 1 C.C. geistige Gesundheit erforderlich. Die Testierunfähigkeit des Erblassers führt zur relativen Nichtigkeit des Testaments, die durch Klage geltend zu machen ist. Klagebefugt sind die Gesamtrechtsnachfolger des Erblassers, also gesetzliche Erben und Universalvermächtnisnehmer. Die Klagefrist beträgt nach Art. 2224 C.C. fünf Jahre ab dem Tod des Erblassers. Minderjährige unter 16 Jahren sind gem. Art. 903 C.C. testierunfähig, Minderjährige über 16 Jahren können gem. Art. 904 Abs. 1 C.C. nur über die Hälfte dessen verfügen, über das ein Erwachsener ohne Verletzung von Noterbrechten testieren könnte. Unter Erwachsenenvormundschaft stehende Personen (majeurs en tutelle) sind gem. Art. 476 Abs. 2 C.C. grundsätzlich testierunfähig, sie können jedoch gerichtlich oder vom Familienrat (conseil de famille nach Art. 456 C.C.) ermächtigt werden, mit Hilfe des Vormunds ein Testament zu errichten. Der Widerruf eines Testaments kann durch den unter Erwachsenenvormundschaft Stehenden nach Art. 476 Abs. 3 C.C. stets nur selbst erfolgen. Ein unter Erwachsenenpflegschaft Stehender (majeur en curatelle) ist dagegen gem. Art. 470 Abs. 1 C.C. in vollem Umfang testierfähig.
Rz. 100
Der Code Civil enthielt bis zur letzten Erbrechtsreform keine Sonderregelungen für Willensmängel des Erblassers bei Testamentserrichtung, so dass auf die Vorschriften des Vertragsrechts über Irrtum, Täuschung und Drohung zurückzugreifen war. Nunmehr bestimmt Art. 901 S. 2 C.C. ausdrücklich, dass ein Testament nichtig ist, wenn es aufgrund Irrtum, Täuschung, Drohung oder Zwang zustande gekommen ist. Bei einem Testament ist auch eine durch einen Dritten begangene Täuschung erheblich. Willensmängel führen zur relativen Nichtigkeit des Testaments, die durch gesetzliche Erben und Universalvermächtnisnehmer gem. Art. 2224 C.C. innerhalb von fünf Jahren ab dem Erbfall geltend gemacht werden kann (siehe Rdn 99).
Rz. 101
Weitere Voraussetzung für die materielle Wirksamkeit eines Testaments ist schließlich das Vorliegen einer zulässigen causa. Hierunter ist – in Abgrenzung zu bloßen Motiven – der Hauptantrieb des Erblassers zu seiner testamentarischen Ver...