1. Internationale Zuständigkeit der Gerichte
Rz. 233
In Frankreich als EG-Mitgliedstaat gilt die Verordnung des Rates Nr. 2201/2003 (EUEheVO 2003 oder Brüssel IIa-VO) über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 (siehe hierzu "Allgemeiner Teil" § 1 Rdn 3 ff. in diesem Werk). Die anzuwendenden Verfahrensvorschriften richten sich nach der lex fori.
2. Auf die Scheidung anwendbares Recht
a) Vormalige einseitige Kollisionsnorm
Rz. 234
Zum internationalen Scheidungsrecht galt bis zum Inkrafttreten der Rom III-VO seit 11.7.1975 in Art. 309 CC eine einseitige Kollisionsnorm. Die Vorschrift bestimmt, dass französisches Scheidungsrecht anwendbar ist, wenn
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beide Ehegatten die französische Staatsangehörigkeit besitzen, |
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beide ihren Wohnsitz in Frankreich haben oder |
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kein ausländisches Recht sich für anwendbar erklärt und die französischen Gerichte international zuständig sind. |
Im Übrigen war das anwendbare Recht nach den ggf. beteiligten ausländischen Rechtsordnungen nach deren IPR zu ermitteln.
b) Geltung der Rom III-VO
Rz. 235
Seit 21.6.2012 gilt für Frankreich die Verordnung des Rates Nr. 1259/2010 (Rom III-VO) zur Durchführung einer verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts (siehe hierzu "Allgemeiner Teil" § 1 Rdn 156 ff. in diesem Werk).
Rz. 236
Für Unterhaltszahlungen zwischen den Ehegatten gilt jedoch das Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht vom 23.11.2007. Der Begriff "Unterhalt" in diesem Sinn wird dabei in Frankreich weit verstanden, so dass darunter auch die prestation compensatoire gezählt wird. Die güterrechtlichen Wirkungen der Scheidung werden vom Güterrechtsstatut entschieden, die erbrechtlichen Folgen vom Erbstatut.
Rz. 237
Sonderregeln gelten auch für die elterliche Sorge für gemeinsame Kinder und deren Schutz. Anwendbar sind das Haager Kinderschutzübereinkommen vom 19.10.1996 (ersetzt für Frankreich seit 1.2.2011 das Haager Minderjährigenschutzabkommen vom 5.10.1961), das Luxemburger Europäische Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen über das Sorgerecht für Kinder und die Wiederherstellung des Sorgerechts vom 20.5.1980, das Haager Abkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung vom 25.10.1980 und schließlich die Verordnung des Rates Nr. 2201/2003 (EUEheVO 2003 oder Brüssel IIa-VO).
3. Anerkennung im Ausland erfolgter Scheidungen
Rz. 238
Für die Anerkennung ausländischer Scheidungsurteile gilt in Frankreich im Verhältnis zu den Mitgliedstaaten die Verordnung des Rates Nr. 2201/2003 (EUEheVO 2003 oder Brüssel IIa-VO). Zur Anerkennung von Privatscheidungen nach der Verordnung vgl. "Allgemeiner Teil" § 1 Rdn 3 ff. in diesem Werk.
Rz. 239
Im Übrigen ist – soweit nicht internationale Übereinkommen, insbesondere die EuGVO, einschlägig sind (vgl. hierzu auch Art. 509–1 ff. CPC) – die Wirkung ausländischer Gerichtsurteile in Frankreich in Art. 2412 Abs. 2 CC, 509 CPC zwar erwähnt, aber nicht geregelt, so dass auf von der Rechtsprechung entwickelte Grundsätze zurückzugreifen ist. Entscheidungen ausländischer Gerichte entfalten in Frankreich nur dann Wirkungen, wenn sie im Rahmen eines Exequaturverfahrens von einem Tribunal judiciaire überprüft worden sind. Ein ausländisches Gerichtsurteil wird unter folgenden Voraussetzungen anerkannt:
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Das ausländische Gericht muss aus französischer Sicht international und nach seinem eigenem Recht sachlich, örtlich und funktional zuständig gewesen sein; |
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die Verfahrensvoraussetzungen des ausländischen Rechts müssen gewahrt sein; |
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das ausländische Gericht muss das nach französischem internationalen Privatrecht maßgebliche Recht zugrunde gelegt haben; |
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das Urteil darf nicht gegen den französischen ordre public verstoßen; und |
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es darf kein fraude à la loi vorliegen. |
Keines Exequaturverfahrens bedarf es, wenn aufgrund des Urteils keine Zwangsmaßnahmen gegen Dritte eingeleitet werden können. Dies gilt z.B. für Scheidungsurteile, wenn aufgrund dieser keine Vollstreckung erfolgen soll. In einem Rechtsstreit kann es jedoch zu einer inzidenten Überprüfung auch dieser Entscheidungen kommen. In diesem Fall gelten die gleichen Voraussetzungen wie im Exequaturverfahren.