1. Erbengemeinschaft
Rz. 169
Die Erbengemeinschaft (indivision) wurde im Jahre 1976 erstmals gesetzlich geregelt. Es handelt sich dabei weder um eine Gesamthandsgemeinschaft, noch ist sie mit der Bruchteilsgemeinschaft des deutschen Rechts vergleichbar. Deshalb wird in der deutschen Literatur zutreffend auch von einer "Gemeinschaft eigener Art" gesprochen.
Rz. 170
Es gibt zwei Arten von ungeteilten Erbengemeinschaften, nämlich die gesetzliche (régime légal ou primaire) gem. Art. 815 ff. C.C., die nur subsidiär bei Fehlen abweichender Vereinbarungen gilt, und die vertragliche (régime conventionnel ou secondaire) Erbengemeinschaft gem. Art. 815–1, 1873–1 ff. C.C.
Rz. 171
Von Bedeutung ist diese Unterscheidung zunächst für die Zusammensetzung der Erbengemeinschaft. Bei Vorhandensein von Nießbrauchsberechtigten, vor allem dem überlebenden Ehegatten, kommt es nach der gesetzlichen Regelung zu mehreren Erbengemeinschaften. Die eine, die indivision en usufruit gem. Art. 815–18 Abs. 1 C.C., wird von den Nießbrauchsberechtigten, die andere, die sog. indivision en nue-propriété, von den Erben ohne Nutzungsrechte gebildet. Erben, deren Erbteile nicht mit einem Nießbrauch belastet sind, gehören beiden Gemeinschaften an. Diese Verschränkung mehrerer indivisions führt in der Praxis zwangsläufig zu erheblichen, in Art. 817–819 C.C. teilweise geregelten Schwierigkeiten vor allem im Hinblick auf die Auseinandersetzung. Vertraglich können deshalb gem. Art. 1873–16 C.C. alle Erben in einer indivision zusammengefasst werden.
Rz. 172
Weiterhin spielt die Unterscheidung zwischen gesetzlicher und vertraglicher indivision eine Rolle für die Verwaltung der indivision. Während beim régime légal grundsätzlich gem. Art. 815–3 Nr. 1–4 C.C. für bestimmte Verwaltungs- und Verfügungsgeschäfte (Verwaltung des Nachlasses, Erteilung von Verwaltungsvollmachten an Mitglieder oder Dritte nach Art. 813 C.C., Verkauf von beweglichen Gütern zur Schuldentilgung, Vermietung von nichtgewerblichen Immobilien) eine Mehrheit von zwei Drittel verlangt wird, kann hiervon beim régime conventionnel durch Vereinbarung unter den Miterben abgewichen und z.B. ein Geschäftsführer gem. Art. 1873–5 ff. C.C. mit umfassenden Befugnissen bestellt werden. Beim régime légal kann ein Miterbe alleine nach Art. 815–2 C.C. nur notwendige Erhaltungsmaßnahmen vornehmen, für Maßnahmen, die über die in Art. 815–3 Nr. 1–4 C.C. aufgezählten Angelegenheiten hinausgehen, ist nach Art. 815–3 Abs. 3 C.C. Einstimmigkeit erforderlich. Bei Erbenmehrheit trifft die Miterben – anders als im deutschen Recht – keine gesamtschuldnerische, sondern gem. Art. 870 C.C. nur eine ihrer Erbquote entsprechende teilschuldnerische Haftung für die Nachlassverbindlichkeiten. Allerdings haben die Gläubiger gem. Art. 815–17 Abs. 1 C.C. vor der Auseinandersetzung ohne Einschränkung Zugriff auf die ungeteilte Erbmasse.
2. Erbauseinandersetzung
Rz. 173
Grundsätzlich kann jeder Miterbe gem. Art. 815 Abs. 1 C.C. jederzeit die Teilung verlangen. Vertraglich kann ein Teilungsausschluss gem. Art. 1873–2 ff. C.C. bis zu einer Dauer von fünf Jahren vereinbart werden. Gerichtlich kann auf Antrag gem. Art. 821 ff. C.C. ein Teilungsausschluss auf die Dauer von höchstens fünf Jahren (Art. 823 C.C.), bei Minderjährigkeit von Miterben auch bis zur Volljährigkeit des Jüngsten, bei Vorhandensein eines überlebenden Ehegatten auch bis zu dessen Tod, angeordnet werden, wenn im Nachlass ein Unternehmen vorhanden ist und der Erblasser einen Ehegatten oder minderjährige Kinder hinterlässt. Das Gleiche gilt für die Ehewohnung samt Inventar. Ein Teilungsaufschub von bis zu zwei Jahren kann nach Art. 820 C.C. angeordnet werden, wenn die Zerschlagung des Nachlasses unwirtschaftlich wäre oder die Fortführung eines Unternehmens gefährden würde.
Rz. 174
Die Teilung der Nachlassmasse kann entweder gütlich oder gerichtlich erfolgen. Die gütliche Teilung (partage amiable) erfordert gem. Art. 835 Abs. 1 C.C., dass alle Gemeinschaftsmitglieder geschäftsfähig und sich über ein gemeinsames Vorgehen einig sind. Sie bedarf keiner besonderen Form, nur bei Zugehörigkeit von Grundstücken zum Nachlass ist nach Art. 835 Abs. 2 C.C. notarielle Beurkundung erforderlich.
Rz. 175
Für die gerichtliche Teilung (partage judiciaire) gem. Art. 840 C.C. ist gem. Art. 45 C.P.C., Art. 841 C.C. das Tribunal judiciaire am Ort des Erbfalls zuständig. Ein Übergang von der gerichtlichen zur einvernehmlichen Teilung ist nach Art. 842 C.C. jederzeit möglich. Das Gericht ordnet ggf. nach einer Versiegelung des Nachlasses die Teilung an, schätzt den Nachlass, lässt einzelne Nachlassgegenstände verkaufen und beauftragt einen Notar mit der Ausführung der Teilung. Letzterer stellt zunächst die Teilungsmasse fes...