Silja Maul, Larissa Furtwengler
A. Einführung
I. Rechtsgrundlagen
Rz. 1
Ein eigenes Gesetz für Gesellschaften mit beschränkter Haftung gibt es in Frankreich nicht. In Art. 1832 ff. Code Civil (C.civ.) finden sich allgemeine Vorschriften, die nach Art. 1834 C.civ. – vorbehaltlich bestehender Sonderregeln – für alle Gesellschaftsformen gelten. Art. 1832 Abs. 1 C.civ. enthält eine allgemeine Definition der Gesellschaft. Demnach besteht eine solche aus zwei oder mehreren Personen, die durch Vertrag vereinbaren, Güter oder ihre Arbeitsleistung in ein gemeinsames Unternehmen einzubringen, um den Gewinn zu teilen oder sich die Ersparnisse zu Nutzen zu machen, die sich daraus ergeben können. Nach Art. 1832 Abs. 2 C.civ. kann in den gesetzlich vorgesehenen Fällen eine Gesellschaft auch durch den Willen einer einzigen Person errichtet werden. Die société à responsabilité limitée – SARL – ist gemeinsam mit den anderen Handelsgesellschaften darüber hinaus spezialgesetzlich im Code de commerce (C.com.) und den zugehörigen Rechtsverordnungen geregelt. Bei der SARL handelt es sich nach Art. L 223–1 C.com. um eine Gesellschaft, bei der die Haftung der Gesellschafter für Gesellschaftsverbindlichkeiten grundsätzlich auf die übernommene Einlage beschränkt ist. Die Ein-Mann-SARL wird auch als entreprise unipersonelle à responsabilité limitée – EURL – bezeichnet. Die SARL wird vor allem in Art. L 223–1 bis L 223–43, Art. L 241–1 bis L 241–9 und Art. R 223–1 bis R 223–36 C.com. behandelt. Die gesellschaftsrechtlichen Richtlinien der EU wurden in Frankreich umgesetzt. Am 1.1.2012 wurden in Frankreich 1.442.142 SARL gezählt, sie ist damit die mit Abstand häufigste Gesellschaftsform.
II. Gesellschaftsformen
Rz. 2
Das französische Gesellschaftsrecht kennt im Wesentlichen folgende Gesellschaftsformen:
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Innengesellschaft oder stille Gesellschaft ohne Außenwirkung (société en participation – SEP); |
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faktische Gesellschaft (société créée de fait); |
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Gesellschaft bürgerlichen Rechts (société civile – SCI); |
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offene Handelsgesellschaft (société en nom collectif – SNC); |
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Kommanditgesellschaft (société en commandite simple – SCS); |
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Gesellschaft mit beschränkter Haftung (société à responsabilité limitée – SARL); |
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Aktiengesellschaft (société anonyme – SA); |
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Einfache Aktiengesellschaft (société par actions simplifiée – SAS); |
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Kommanditgesellschaft auf Aktien (société en commandite par actions – SCA). |
III. Gesellschaftstypen
Rz. 3
Die einzelnen Gesellschaftsformen werden allgemein wiederum unterteilt in folgende Gesellschaftstypen:
1. Gesellschaften mit und ohne Rechtspersönlichkeit
Rz. 4
Keine Rechtspersönlichkeit besitzen die société en participation und die société créée de fait. Die übrigen Gesellschaften besitzen eine eigene Rechtspersönlichkeit.
2. Handelsgesellschaften
Rz. 5
Mit Ausnahme der société civile handelt es sich bei den Gesellschaften mit eigener Rechtspersönlichkeit gem. Art. L 210–1 Abs. 2 C.com. um Handelsgesellschaften (sociétés commerciales).
3. Personengesellschaften und Kapitalgesellschaften
Rz. 6
Ferner unterscheidet das französische Gesellschaftsrecht zwischen Personengesellschaften und Kapitalgesellschaften. Bei einer Personengesellschaft steht bei der Gründung die Person der Gesellschafter im Vordergrund, zur Aufnahme weiterer Gesellschafter ist daher die Zustimmung sämtlicher Altgesellschafter erforderlich. Bei der Kapitalgesellschaft dagegen steht die Verwirklichung des Gesellschaftszwecks im Vordergrund. SNC und SCS sind reine Personengesellschaften, SA und SCA reine Kapitalgesellschaften. Die SARL wird (wie die SAS) als Mischform zwischen Personen- und Kapitalgesellschaft angesehen, da die Übertragung von Anteilen an außenstehende Dritte der Zustimmung der Mehrheit der übrigen Gesellschafter bedarf (siehe im Einzelnen Rdn 98 ff.).
B. Gründung der Gesellschaft
I. Überblick über das Gründungsverfahren
1. Rechtslage vor Unterzeichnung des Gesellschaftsvertrags
Rz. 7
Das Gründungsverfahren wird dadurch in Gang gesetzt, dass die potentiellen Gesellschafter Verhandlungen über die Gründung der Gesellschaft aufnehmen, deren Abbruch ohne Auswirkungen ist. Sie können – sofern über die wesentlichen Punkte des Gesellschaftsvertrags Einigung besteht – in einen Vorvertrag (promesse de société) münden, dessen Verletzung zu Schadensersatzansprüchen unter den Beteiligten führen kann. Ab dem Zeitpunkt, in dem sich die Beteiligten (formlos) darüber einig sind, eine SARL zu gründen, gilt – auch wenn der Gesellschaftsvertrag noch nicht unterzeichnet ist – aus gesellschaftsrechtlicher Sicht bereits die Bestimmung des Art. L 210–6 C.com., der die Überleitung von vor der Eintragung eingegangenen Verpflichtungen auf die SARL nach deren Ei...