A. Vorbemerkung, Entwicklung
Rz. 1
Das französische Ehe- und Ehegüterrecht war seit Inkrafttreten des Code Civil am 21.3.1804 zahlreichen Reformen unterworfen. Diese waren insbesondere darauf gerichtet, die Gleichberechtigung der Ehefrau und nichtehelicher Kinder herzustellen.
Rz. 2
Bis zum Jahr 1938 war die Ehefrau z.B. kraft Gesetzes nicht voll geschäftsfähig und musste bedingungslos den Aufenthalt des Mannes, des chef de la famille, teilen. Von besonderer Bedeutung war das Güterrechtsreformgesetz vom 13.7.1965 portant réforme des régimes matrimoniaux, durch das die allgemeinen Rechte und Pflichten der Ehegatten neu geregelt wurden und als gesetzlicher Güterstand die Errungenschaftsgemeinschaft eingeführt wurde.
Rz. 3
Mit Gesetz vom 26.5.2004, das zum 1.1.2005 in Kraft getreten ist, wurde das bereits 1975 umfassend reformierte Scheidungsrecht erneut grundlegend geändert. Zu nennen sind ferner die Neuregelung des Familiennamensrechts durch Gesetz vom 4.3.2002, die Neuregelung der elterlichen Sorge durch Gesetze vom 8.1.1993 und vom 4.3.2002 sowie die Neuordnung des Abstammungsrechts durch Gesetze vom 4.7.2005 und vom 16.1.2009.
Rz. 4
Mit Gesetz vom 15.11.1999 wurde als weitere Form des Zusammenlebens der sog. pacte civil de solidarité (PACS), eine eingetragene Lebenspartnerschaft, eingeführt. Die nichteheliche Lebensgemeinschaft wurde im Gesetz wenigstens definiert, jedoch nicht genauer geregelt. Die Gleichstellung nichtehelicher Kinder wurde mit Gesetz vom 3.1.1972 begonnen und zuletzt im Erbrecht durch Gesetz vom 3.12.2001 vollendet. Nach heftigen Diskussionen wurde in Frankreich mit Gesetz vom 17.5.2013 die (echte) gleichgeschlechtliche Ehe eingeführt, auf die uneingeschränkt dieselben Vorschriften anzuwenden sind wie auf eine heterosexuelle Ehe.
Rz. 5
Mit Gesetz vom 18.11.2016 wurde schließlich das Scheidungsrecht nochmals reformiert, insbesondere wurde die einvernehmliche Scheidung mit Wirkung ab 1.1.2017 vorrangig als Privatscheidung ausgestaltet. Mit der Justizreform durch Gesetz vom 23.3.2019 wurden die vormals getrennten Gerichte Tribunal d’instance (vergleichbar etwa dem deutschen Amtsgericht) und Tribunal de grande instance (vergleichbar etwa dem deutschen Landgericht) mit Wirkung ab 1.1.2020 zusammengefasst zum Tribunal judiciaire. In diesem Zuge wurde auch das gerichtliche Scheidungsverfahren teilweise vereinfacht, wobei aufgrund der Corona-Krise das Inkrafttreten dieser Regelungen mit Gesetz vom 17.6.2020 nach derzeitigem Stand auf den 1.1.2021 verschoben wurde.
B. Verlöbnis und Eheschließung
I. Verlöbnis
Rz. 6
Das Verlöbnis (fiancailles oder promesse de mariage) ist im Code Civil (CC) nicht erwähnt. Ein Eheversprechen erzeugt keinerlei rechtliche Bindung; dies kann auch nicht durch Vertragsstrafen umgangen werden, da dadurch die Ehefreiheit verletzt würde. In Ausnahmefällen kann ein grundlos vom Eheversprechen Zurücktretender unter dem Gesichtspunkt einer unerlaubten Handlung nach Art. 1240 CC oder des Rechtsmissbrauchs auf Schadensersatz haften, wenn der Verlassene das Vorliegen eines Eheversprechens, ein Verschulden des Zurücktretenden und einen materiellen oder immateriellen Schaden nachweisen kann. Brautgeschenke sind nach Art. 1088 CC im Falle der Auflösung des Verlöbnisses zurückzugeben.
II. Obligatorische Zivilehe, Statistik
Rz. 7
Das französische Recht sieht die obligatorische Zivilehe vor. Die Ehe kann wie in Deutschland nur vor einer staatlichen Behörde (Standesamt) geschlossen werden. Eine kirchliche Trauung hat keine bürgerlich-rechtlichen Wirkungen, sie darf nicht vor der standesamtlichen Trauung stattfinden. Die Zahl der Eheschließungen ist in Frankreich in den letzten Jahrzehnten stark zurückgegangen, wobei in jüngerer Zeit die Zahl wieder etwas angestiegen und relativ stabil ist. 1974 kam es noch zu 394.000 Eheschließungen, 1993 waren es nur noch 254.000, im Jahr 2011 war mit 236.826 Eheschließungen ein historischer Tiefstand erreicht. Seither bleiben die Zahlen konstant auf einem niedrigen Niveau. Parallel hierzu kann ein merklicher Anstieg der Scheidungszahlen festgestellt werden: Wurden im Jahr 1972 nur 53.000 Ehen geschieden, waren es im Jahr 1995 bereits 120.000 und im Jahr 2010 134.000, wobei bis zum Jahr 2014 mit 123.500 die Tendenz wieder rückläufig war.
III. Materielle Voraussetzungen und Folgen von Verstößen
1. Persönliche Voraussetzungen
a) Zwei Personen verschiedenen Geschlechts
Rz. 8
Bis zum 17.5.2013 konnten nur zwei Personen verschiedenen Geschlechts die Ehe eingehen. Für gleichgeschlechtliche Partner bestand lediglich die Möglichkeit, einen pacte civil de solidarité (PACS) einzugehen (siehe hierzu Rdn 249 ff.). Eine unter gleichgeschlechtlichen Personen geschlossene "Ehe" stellte eine Nichtehe dar; eine Anfechtung der Ehe war nicht erforderlich. Art. 143 CC n.F. stellt nun ausdrücklich klar, dass eine Ehe auch von...