1.4.1 Weisungsfreiheit
Arbeitnehmer ist, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. Die Eingliederung in eine fremde Arbeitsorganisation zeigt sich insbesondere darin, dass der Beschäftigte einem Weisungsrecht seines Vertragspartners (Arbeitgebers) unterliegt. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer, Ort und sonstige Modalitäten der zu erbringenden Tätigkeit betreffen.
Wer solchem Weisungsrecht seines Vertragspartners nicht unterliegt, kann freier Mitarbeiter sein. Insoweit enthält § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB ein typisches Abgrenzungsmerkmal. Nach dieser Bestimmung ist selbstständig, wer im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Über ihren unmittelbaren Anwendungsbereich hinaus enthält diese Bestimmung eine allgemeine spezielle gesetzgeberische Wertung, die bei der Abgrenzung des Dienstvertrags vom Arbeitsvertrag zu beachten ist. Die fachliche Weisungsgebundenheit ist für Dienste höherer Art nicht immer typisch. Die Art der Tätigkeit kann es mit sich bringen, dass dem Dienstverpflichteten ein hohes Maß an Gestaltungsfreiheit, Eigeninitiative und fachlicher Selbstständigkeit verbleibt. Sachzwänge bei der Auftragsausführung sowie die Pflicht zur Vertragserfüllung ohne zusätzliche Konkretisierungen durch den Auftraggeber im Einzelfall sind für die Statusprüfung in aller Regel ohne Aussagekraft.
Andererseits wird ein Arbeitnehmer nicht allein dadurch zum freien Mitarbeiter, dass der Arbeitgeber sein Weisungsrecht längere Zeit nicht ausübt.
Als Grundlage für die Weisungsgebundenheit können dienen:
- Einzelanweisungen
- Dienstpläne
- Lehrpläne
- Richtlinien etc.
Fachliche Weisungsgebundenheit indiziert eine Arbeitnehmereigenschaft nur, wenn die fachlichen Weisungen umfassend und von einer gewissen Erheblichkeit sind. Soweit keine fachliche Weisungsgebundenheit vorliegt, ist nicht automatisch von freier Mitarbeit auszugehen. Insbesondere bei Diensten höherer Art kann es die Art der Tätigkeit mit sich bringen, dass dem Dienstnehmer ein hohes Maß an Gestaltungsfreiheit, Eigeninitiative und insbesondere fachlicher Selbstständigkeit verbleibt.
Zeitlich weisungsgebunden ist der Mitarbeiter, wenn der Auftraggeber Dauer und zeitliche Lage der zu erbringenden Leistung bestimmen kann. Kann der Dienstgeber nach den vertraglichen Regelungen und nach der praktischen Durchführung des Vertrags vom Mitarbeiter eine ständige Dienstbereitschaft verlangen, so spricht dies gegen ein freies Mitarbeitsverhältnis. Starkes Indiz für die Arbeitnehmereigenschaft ist etwa die Aufnahme des Mitarbeiters in Dienstpläne, ohne dass die einzelnen Einsätze im Voraus abgesprochen sind.
Zeitliche Vorgaben oder die Verpflichtung, bestimmte Termine für die Erledigung der übertragenen Aufgaben einzuhalten, sind für sich allein jedoch kein wesentliches Merkmal für ein Arbeitsverhältnis. Auch im Rahmen von Dienst- oder Werkverträgen können schon für Koordinationszwecke von dem Empfänger der Leistung Termine für die Erledigung der Arbeit bestimmt werden, ohne dass daraus eine zeitliche Weisungsabhängigkeit folgt, wie sie für das Arbeitsverhältnis kennzeichnend ist.
Die örtliche Weisungsgebundenheit wird von der Rechtsprechung des BAG im Zusammenhang mit dem zeitlichen oder fachlichen Weisungsrecht des Dienstgebers zwar als weiteres Kriterium berücksichtigt, ist aber von der Rechtsprechung wohl nie allein als entscheidendes Indiz für die Abgrenzung zwischen Arbeitnehmer oder freiem Mitarbeiter herangezogen worden.
Unbillige Weisungen
Ein Arbeitnehmer ist nach § 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB nicht – auch nicht vorläufig – an eine Weisung des Arbeitgebers gebunden, die die Grenzen billigen Ermessens nicht wahrt (unbillige Weisung). Der Arbeitgeber kann an die Nichtbefolgung einer solchen unbilligen Weisung auch keine Sanktionen wie etwa eine Abmahnung knüpfen.
Die fehlende Bindung des Arbeitnehmers an die unbillige Weisung ändert jedoch nichts an seiner generellen Weisungsgebundenheit und der damit verbundenen Arbeitnehmereigenschaft. Er ist lediglich – einzelfallbezogen – nicht an die betroffene Weisung gebunden.
1.4.2 Keine Eingliederung in Arbeitsorganisation des Auftraggebers
Hier ist die Frage zu stellen: Kann die Arbeit, die Vertragsgegenstand ist, auch ohne Zuhilfenahme der betrieblichen Organisation des Auftraggebers bzw. Einbindung in sie erledigt werden?
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) äußert sich die persönliche Abhängigkeit des abhängig Arbeitenden vor allem ...