3.1 Der Arbeitnehmerbegriff der RL 92/85/EWG und der RL 98/59/EWG
Hier vertritt der Europäische Gerichtshof (EuGH) im speziellen Zusammenhang einen gegenüber der Rechtslage in Deutschland abweichenden Begriff:
RL 92/85/EWG: Gesundheitsschutz von schwangeren Arbeitnehmerinnen
Für die Zwecke der RL 92/85/EWG des Rates vom 19.10.1992 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen am Arbeitsplatz (10. Einzelrichtlinie i. S. d. Art. 16 Abs. 1 der RL 89/391/EWG) ist die Arbeitnehmereigenschaft eines Mitglieds der Unternehmensleitung einer Kapitalgesellschaft, das dieser gegenüber Leistungen erbringt und in sie eingegliedert ist, zu bejahen, wenn es seine Tätigkeit für eine bestimmte Zeit nach der Weisung oder unter der Aufsicht eines anderen Organs dieser Gesellschaft ausübt und als Gegenleistung für die Tätigkeit ein Entgelt erhält.
Nach § 38 Abs. 1 GmbHG können Geschäftsführerinnen auch in Deutschland jederzeit und ohne Grund, also auch ohne Berücksichtigung einer eventuellen Schwangerschaft, abberufen werden. Nach dem Urteil des EuGH ist diese Praxis nicht mehr haltbar, wenn die Geschäftsführerin dem unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff unterfällt, ihre Schwangerschaft nach nationalem Recht angezeigt hat (hier: §§ 9, 5 MuSchG) und deshalb "schwangere Arbeitnehmerin" i. S. v. Art. 2 der Richtlinie ist.
Der Gesetzgeber hat die Problematik durch eine neue Vorschrift entschärft. Nach § 38 Abs. 3 GmbHG hat der Geschäftsführer seit dem 12.8.2021 nunmehr das Recht, um den Widerruf seiner Bestellung zu ersuchen, wenn er wegen Mutterschutz seinen mit der Bestellung verbundenen Pflichten vorübergehend nicht nachkommen kann und mindestens ein weiterer Geschäftsführer bestellt ist. Macht ein Geschäftsführer von diesem Recht Gebrauch, muss die Bestellung dieses Geschäftsführers widerrufen und dabei die Wiederbestellung nach Ablauf des Zeitraums der in § 3 Abs. 1 und 2 des Mutterschutzgesetzes genannten Schutzfristen zugesichert werden.
RL 98/59/EWG: Arbeitnehmerbegriff bei Massenentlassung
Art. 1 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 98/59/EG des Rates vom 20.7.1998 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung oder Praxis entgegensteht, die bei der Berechnung der in dieser Vorschrift genannten Zahl von Arbeitnehmern ein Mitglied der Unternehmensleitung einer Kapitalgesellschaft wie das im Ausgangsverfahren in Rede stehende unberücksichtigt lässt, das seine Tätigkeit nach Weisung und Aufsicht eines anderen Organs dieser Gesellschaft ausübt, als Gegenleistung für seine Tätigkeit eine Vergütung erhält und selbst keine Anteile an dieser Gesellschaft besitzt.
Praktikanten, die ohne Vergütung durch ihren Arbeitgeber, jedoch finanziell gefördert und anerkannt durch die für Arbeitsförderung zuständigen öffentlichen Stellen, in einem Unternehmen praktisch mitarbeiten, um Kenntnisse zu erwerben oder zu vertiefen oder eine Berufsausbildung zu absolvieren, sind Arbeitnehmer im Sinne der Vorschrift.
3.2 Abgrenzung Werkvertrag, Dienstvertrag und Arbeitnehmerüberlassung
Wird eine Einzelperson im Rahmen eines Werkvertrags für einen Auftraggeber tätig, kann es von dem konkreten Vertragsgegenstand abhängen, ob er in freier Mitarbeit – oder wenn eher Dienstvertragselemente überwiegen – im Rahmen eines Arbeitsvertrags tätig wird. Zu dieser Konstellation hat das BAG festgestellt: Ein Werkunternehmer ist bei der Auftragserledigung selbstständig. Er organisiert die für die Erreichung eines wirtschaftlichen Erfolges notwendigen Handlungen nach eigenen betrieblichen Voraussetzungen und ist für die Herstellung des geschuldeten Werkes gegenüber dem Besteller verantwortlich. Gegenstand eines Werkvertrags kann sowohl die Herstellung oder Veränderung einer Sache als auch ein anderer durch Arbeit oder Dienstleistung herbeizuführender Erfolg sein. Demgegenüber wird beim Dienstvertrag die Arbeitsleistung als solche geschuldet.
Fehlt es an einem vertraglich festgelegten abgrenzbaren, dem Auftragnehmer als eigene Leistung zurechenbaren, dem Auftragnehmer als eigene Leistung zurechenbaren und abnahmefähigen Werk, kommt ein Werkvertrag kaum in Betracht; denn der "Auftraggeber" muss dann den Gegenstand der vom "Auftragnehmer" zu erbringenden Leistung durch weitere Weisungen erst noch bestimmen und damit Arbeit und Einsatz bindend organisieren.
Ist Vertragspartner des Auftraggebers nicht ein "Einzelkämpfer", sondern eine Person, die eigene Mitarbeiter beim Auftraggeber einsetzt, kann je nach den Umständen von deren Einsatz ggf. Arbeitnehmerüberlassung vorliegen. Richten sich die vom Auftragnehmer zu erbringenden Leistungen nach dem Bedarf des Auftraggebers, so spricht dies ganz erheblich gegen das Vorliegen eines Werk- oder Dienstvertrags und für eine Eingliederung der Arbeitnehmer in den Betrieb des Auftraggebers. Insofern fehlt es an einem abgrenzbar...