Kurzbeschreibung
Nach § 616 BGB haben Arbeitnehmer für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit Anspruch auf bezahlte Freistellung von der Arbeit, wenn sie durch einen in ihrer Person liegenden Grund ohne ihr Verschulden an der Dienstleistung verhindert sind, also wegen eines persönlichen Grundes ihre Arbeitsleistung nicht erbringen können. Diese Tabelle gibt einen Überblick darüber, in welchen Fallkonstellationen die Rechtsprechung einen persönlichen Grund anerkannt oder abgelehnt hat.
Vorbemerkung
Neben dem Urlaub und den krankheitsbedingten Fehlzeiten spielt im Arbeitsrecht die bezahlte Freistellung aus persönlichem Grund, mitunter auch Sonderurlaub genannt, eine nicht unerhebliche Rolle.
Voraussetzung für eine bezahlte Freistellung nach § 616 BGB ist, dass der Arbeitnehmer wegen eines in seiner Person bestehenden (subjektiven) Leistungshindernisses an der Arbeitsleistung verhindert ist. Handelt es sich dagegen um ein (objektives) Leistungshindernis, das zur selben Zeit für mehrere Arbeitnehmer gleichzeitig besteht, scheidet ein Anspruch nach § 616 BGB aus.
Probleme in der Praxis treten in diesem Zusammenhang deswegen auf, weil die Freistellung in § 616 BGB nur sehr allgemein beschrieben ist. Zu beachten ist, dass diese Vorschrift erst dann greift, wenn die Frage der bezahlten Freistellung (oder: Bezahlung trotz Nichtarbeit) nicht speziell geregelt ist.
Die Regelung des § 616 BGB kann tarifvertraglich durch die Tarifpartner und auch arbeitsvertraglich durch die Arbeitsvertragsparteien (sofern keine Tarifbindung besteht) näher ausgestaltet, modifiziert oder gänzlich ausgeschlossen werden.
Die nachfolgende Übersicht enthält eine Auswahl einschlägiger Entscheidungen zum Thema Freistellung.
Gründe für Sonderurlaub/Freistellungsansprüche nach § 616 BGB
Gründe für Sonderurlaub |
Ja |
Nein |
Fundstelle |
Arztbesuch |
Arztbesuch ohne Terminfreiheit Grundsätzlich hat der Arbeitnehmer zu versuchen, den Termin zur Untersuchung in arbeitsfreie Zeiten zu legen. Ist dies nicht möglich, besteht ein Anspruch auf bezahlte Freistellung nach § 616 BGB. |
X |
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BAG, Urteil v. 29.2.1984, 5 AZR 92/82 |
Das ist z.B. der Fall bei ärztlich zwingend festgelegten Besuchsterminen (z.B. zur Blutabnahme in nüchternen Zustand), |
X |
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BAG, Urteil v. 27.6.1990, 5 AZR 365/89 |
wenn der vom Arbeitnehmer ausgesuchte Arzt seines Vertrauens Sprechstunden nur in der Arbeitszeit hat, |
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X |
BAG, Urteil v. 29.2.1984, 5 AZR 455/81 |
wenn der Arbeitnehmer den Arzt aus medizinischen Gründen während der Arbeitszeit aufsuchen muss oder wenn der Arzt den Arbeitnehmer während der Arbeitszeit zur Untersuchung oder Behandlung in seine Praxis bestellt und der Arbeitnehmer auf die Termingestaltung keinen Einfluss nehmen kann. |
X |
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BAG, Urteil v. 29.2.1984, 5 AZR 92/82, BAG, Urteil v. 29.2.1984, 5 AZR 467/81 |
Arztbesuche während der Gleitzeit Nimmt ein Arbeitnehmer an einer im Betrieb geltenden Gleitzeitregelung teil, so kann er – wenn einzelvertraglich oder tarifvertraglich keine Regelung besteht – für Arztbesuche während der Gleitzeit keine Zeitgutschrift verlangen. |
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X |
LAG Köln, Urteil v. 10.2.1993, 8 Sa 894/92 |
Unfallbedingte Arztbesuche Arbeitsfehlzeiten infolge von 50 unfallbedingten Arztbesuchen in 13 Monaten sind nicht mehr verhältnismäßig geringfügig i.S.d. § 616 Abs. 1 BGB und müssen daher vom Arbeitgeber nicht bezahlt werden. Deshalb hat der Schädiger das auf die Fehlzeiten entfallende Bruttoentgelt zzgl. der Arbeitgeberanteile der Sozialversicherungsbeiträge zu ersetzen. |
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X |
LG Frankfurt, Urteil v. 2.12.1999, 2/1 S 163/99 |
Kurzsichtigkeitsoperation Ein operativer Eingriff zur Korrektur einer Kurzsichtigkeit, die der Erbringung der Arbeitsleistung nicht entgegensteht, begründet keinen Vergütungsanspruch aus § 616 BGB. |
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X |
ArbG Frankfurt am Main, Urteil v. 23.5.2000, 4 Ca 8647/99 |
Hochzeit und Familienfeiern |
Hochzeit Wird in einem Tarif- oder Einzelvertrag eine Freistellung "zur Eheschließung" festgelegt, so ist darunter sowohl die bürgerliche Eheschließung vor dem Standesbeamten als auch die kirchliche Eheschließung zu verstehen. Der Arbeitnehmer hat nach § 315 BGB ein Wahlrecht, welches der beiden Ereignisse er zur Freistellung nutzt. Stehen ihm 2 Tage zu, kann er auch je einen Tag zu jedem der beiden Anlässe beanspruchen. |
X |
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BAG, Urteil v. 27.4.1983, 4 AZR 506/80 |
Goldene Hochzeit In aller Regel besteht eine besonders stark ausgeprägte sittliche Verpflichtung, an der Familienfeier der Goldenen Hochzeit der Eltern teilzunehmen. In solchen Fällen ist deshalb ein Arbeitnehmer im Sinne des BGB § 616 Abs. 1 Satz 1 an der Dienstleistung verhindert. |
X |
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BAG, Urteil v. 25.10.1973, 5 AZR 156/73 |
Hochzeit der Stiefkinder Bestimmt eine Betriebsvereinbarung, dass ein bezahlter arbeitsfreier Tag zu gewähren ist "bei Hochzeit der Kinder", ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, den arbeitsfreien Tag auch bei einer Hochzeit von Stiefkindern zu gewähren. |
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X |
LAG Düsseldorf, Urteil v. 21.7.1988, 5 TaBV 31/88 |
Familienfeier – runder Geburtstag Familienfeiern anlässlich eines runden Geburtstages eines Elternteils (80. Geburtstag des Vaters) zählen nicht zu den "... |