Leitsatz
1. Ein mit mehreren Personen bestehendes Mietverhältnis kann nur von allen Mietern gemeinsam gekündigt werden.
2. Die Ankündigung der Zahlungseinstellung berechtigt nur dann zur Kündigung, wenn sie von allen Mietern gemeinsam abgegeben wird.
3. Eine unpünktliche Mietzahlung allein rechtfertigt die Kündigung nicht. Vielmehr ist hierüber aufgrund einer umfassenden Interessenabwägung zu entscheiden.
(Leitsätze der Redaktion)
4. Das Jobcenter (Sozialamt), das für einen hilfebedürftigen Wohnungsmieter die Kosten der Unterkunft in der Weise übernimmt, dass es die Miete direkt an den Vermieter des Hilfebedürftigen überweist, ist nicht Erfüllungsgehilfe des Mieters.
(amtlicher Leitsatz des BGH)
Normenkette
BGB §§ 278, 543 Abs. 1
Kommentar
Im Mai 2007 vermietete der Eigentümer ein Reihenhaus an ein Ehepaar. Dieses trennte sich im Spätjahr 2007; der alleinverdienende Ehemann zog aus der Wohnung aus. Mit Schreiben vom 1.1.2008 kündigte er das Mietverhältnis zum 31.3.2008. Außerdem teilte er mit, dass er ab April 2008 keine weiteren Mietzahlungen leisten werde.
Der Vermieter kündigte seinerseits mit Schreiben vom 1.2.2008 das Mietverhältnis gegenüber beiden Mietern. Die Kündigung wird mit der Weigerung des Ehemanns zur Zahlung der künftigen Miete begründet. Mit dem Auszug des alleinverdienenden Ehemanns sei außerdem die Geschäftsgrundlage des Mietvertrags entfallen.
Die Mietzahlungen wurden ab April 2008 vom Jobcenter übernommen. Dieses überwies die Miete jeweils mit einer Verspätung zwischen 7 und 11 Tagen. Der Vermieter hat die Mieter wegen der verspäteten Zahlung abgemahnt. Das Jobcenter hat sein Zahlungsverhalten aber nicht geändert. Daraufhin hat der Vermieter das Mietverhältnis am 11.6.2008 erneut gekündigt und Räumungsklage erhoben.
Der BGH hatte über die Wirksamkeit der Kündigungen zu entscheiden.
1. Kündigung des Ehemanns vom 1.1.2008
Der Mietvertrag wurde von beiden Ehegatten unterzeichnet. Für diesen Fall ist allgemein anerkannt, dass ein mit mehreren Personen bestehendes Mietverhältnis nur von allen Mietern gemeinsam gekündigt werden kann. Die von einem Mieter allein erklärte Kündigung ist unwirksam und beendet das Mietverhältnis nicht.
2. Kündigung des Vermieters vom 1.2.2008
In dem Schreiben vom 1.1.2008 hat der Ehemann erklärt, dass er die Mietzahlungen ab April 2008 einstellen werde. In dem Urteil vom 9.3.2005 (VIII ZR 394/03, NJW 2005 S. 2552) hatte der BGH einen Fall zu entscheiden, in dem der Insolvenzverwalter eines Zwischenmieters gegenüber dem Vermieter erklärt hat, er werde die Mieten weiterhin von den Endmietern einziehen, diese aber wegen des allgemeinen Verfügungsverbots nicht an den Eigentümer weiterleiten. Der BGH hat diese Erklärung als grobe Vertragswidrigkeit gewertet, die den Vermieter zur Kündigung aus wichtigem Grund nach § 543 Abs. 1 BGB berechtigt. An dieser Rechtsprechung hält der BGH fest. Er stellt allerdings klar, dass die Ankündigung der Zahlungseinstellung nur dann zur Kündigung berechtigt, wenn sie von beiden Mietern abgegeben wird. Das war nicht der Fall, weil die Ehefrau als Mitmieterin mit dem Verhalten ihres Ehemanns nicht einverstanden war.
Der BGH lässt offen, ob der Fortbestand der bei Vertragsschluss bestehenden Verhältnisse (hier: die Nutzung des Hauses durch beide Eheleute und die Einkommenssituation) Geschäftsgrundlage eines Wohnraummietverhältnisses sein kann und ob bei einer Veränderung der Geschäftsgrundlage ein Kündigungsrecht besteht. Jedenfalls im vorliegenden Fall seien die genannten Umstände nicht Geschäftsgrundlage geworden.
3. Kündigung des Vermieters vom 11.6.2008
Nach § 543 Abs. 1 BGB kann der Vermieter aus wichtigem Grund kündigen, wenn ihm die Fortsetzung des Mietverhältnisses unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Mieter, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen nicht zugemutet werden kann. Dabei ist anerkannt, dass ein Kündigungsgrund in diesem Sinne auch dann vorliegen kann, wenn der Mieter die Miete unpünktlich zahlt (BGH, Urteil v. 11.1.2006, VIII ZR 364/04, NJW 2006 S. 1585; BGH, Urteil v. 4.2.2008, VIII ZR 66/08, NJW 2009 S. 1491). Die unpünktliche Zahlung allein rechtfertigt die Kündigung allerdings nicht. Vielmehr ist hierüber aufgrund einer umfassenden Interessenabwägung zu entscheiden. Hierbei ist zugunsten eines Mieters zu berücksichtigen, dass dieser auf die Leistungen des Jobcenters oder des Sozialamts angewiesen ist, dass er auf das Zahlungsverhalten dieser Behörden keinen Einfluss hat und dass die Überschreitung der Fälligkeitstermine nur wenige Tage beträgt.
In diesem Zusammenhang ist zu erwägen, ob sich der Mieter ein Verschulden der Behörde zurechnen lassen muss. Teilweise wird die Ansicht vertreten, dass das Sozialamt oder das Jobcenter Erfüllungsgehilfe des Mieters bei der Mietzahlung sei; nach dieser Ansicht muss der Mieter für ein Verschulden der Behörde wie für eigenes Verschulden einstehen (§ 278 BGB; Palandt/Weidenkaff, § 543 BGB Rdn. 26). Der BGH teilt diese Ansicht nicht: Zw...