In der Zeit vom 1.1.2023 bis zum 31.12.2026 ist die Pflicht zur Inanspruchnahme einer vorzeitigen Altersrente vollständig ausgesetzt worden.
Nach der Unbilligkeitsverordnung, die zwar weiter in Kraft ist, aber wegen der Aussetzung der Antragspflicht derzeit keine Wirkung entfaltet, muss die vorzeitige Altersrente nicht beantragt werden, sofern dies unbillig wäre. Das ist nach der sog. Unbilligkeitsverordnung in folgenden Fällen gegeben:
- Wenn die Inanspruchnahme der vorzeitigen Altersrente zum Verlust des Anspruchs auf Arbeitslosengeld nach dem SGB III führen würde (aufstockender Bezug von Bürgergeld nach § 19 Abs. 1 Satz 1 SGB II), weil der Anspruch auf Arbeitslosengeld durch den Rentenbezug ruhen würde.
- In "naher Zukunft", etwa in einen Zeitraum von bis zu 3 Monaten, kann ein Anspruch auf die Altersrente abschlagsfrei beansprucht werden.
- Eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung oder eine selbstständige Erwerbstätigkeit mit entsprechend hohem Einkommen werden ausgeübt.
- Der baldige Beginn einer entsprechenden Beschäftigung oder Erwerbstätigkeit wird glaubhaft nachgewiesen.
Liegen keine atypischen Umstände vor, muss die vorgezogene Altersrente beantragt werden. Die zu erwartenden Rentenabschläge sind keine atypischen Umstände, weil der Gesetzgeber diese bei seiner Gesetzgebung vorausgesehen hat.
BSG Rechtsprechung zur Beantragung einer vorgezogenen Altersrente
Das BSG hat entschieden, dass es unbillig ist, bei Erreichen des 63. Lebensjahres eine Beantragung einer vorgezogenen Altersrente mit Abschlägen von 9,6 % zu verlangen, wenn in 4 Monaten die Voraussetzungen für eine abschlagfreie Altersrente für besonders langjährig Versicherte ohne Abschläge erfüllt werden. Eine abschließende Feststellung bezüglich der Zeitspanne von 4 Monaten (zur Auslegung des Begriffes der nahen Zukunft) hat das BSG noch nicht getroffen.
Zum 1.1.2017 ist zur weitgehenden Vermeidung von zwangsweiser Inanspruchnahme vorzeitiger Altersrenten ein weiterer Unbilligkeitsgrund bestimmt worden.
Danach ist die Inanspruchnahme einer vorzeitigen Altersrente auch dann unbillig und damit nicht erforderlich, wenn Leistungsberechtigte durch die Inanspruchnahme hilfebedürftig im Sinne der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII werden würden.
Der spätere Eintritt von Hilfebedürftigkeit wird angenommen, wenn der Betrag in Höhe von 70 % der bei Erreichen der Altersgrenze erwartenden monatlichen Regelaltersrente niedriger ist als der zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Unbilligkeit maßgebende Bedarf der leistungsberechtigten Person nach dem SGB II.
Hilfebedürftigkeit im Alter
Eine Leistungsberechtigte legt dem Jobcenter eine Rentenauskunft vor, die sie zu ihrem 62. Geburtstag erhalten hat. Danach hat sie eine Regelaltersrente in Höhe von 1.100 EUR zu erwarten. Sie ist alleinstehend. Ihr aktueller Bürgergeld-Bedarf beträgt 878 EUR (502 EUR Regelbedarf + 376 EUR Kosten für Unterkunft und Heizung).
Ergebnis: 1.100 EUR x 70 % = 770 EUR. Da der Vergleichsbetrag niedriger als der aktuelle Bedarf ist, entfällt die Verpflichtung zur Inanspruchnahme einer vorzeitigen Altersrente bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze.