Leitsatz
War dem Versicherer vor Abschluss eines Leibrentenversicherungsvertrages im Dezember 1995 bekannt, dass er eine auf der Sterbetafel 1987 kalkulierte und dem VN mitgeteilte Überschussbeteiligung wegen einer "verbesserten Sterblichkeitserwartung", deren Entwicklung bereits in der Sterbetafel 1994 Berücksichtigung gefunden hatte, im Hinblick auf höhere, die Überschussbeteiligung reduzierende Rückstellung nicht mehr gewähren konnte, ist es ihm verwehrt, sich diesbezüglich auf einen Änderungsvorbehalt im Vertrag zu berufen. Der Versicherer darf nicht mit Überschussbeteiligung werben, wenn er weiß, dass er diese für die Zukunft nicht mehr gewähren kann.
Normenkette
§ 16 ALB, § 1 VVG
Sachverhalt
Der Kl. verklagte die Bekl. auf Nachzahlung der wegen verbesserter Sterblichkeitserwartung gekürzten Zusatzrente aus den ihm zugesicherten Anteilen der Überschussbeteiligung.
Das LG gab der Klage statt. Die Berufung der Bekl. blieb erfolglos.
Entscheidung
I.
1. Wie das Berufungsgericht, feststellte, hat der Kl. einen vertraglichen Erfüllungsanspruch, der sich nach den vertraglichen Grundlagen richtet, wie sie bei Vertragsabschluss gem. Versicherungsschein vom 12.12.1995 zum Gegenstand des Leibrentenvertrages gemacht wurden. Er sei nicht auf die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen aus vorvertraglicher Pflichtverletzung beschränkt.
a) Das LG habe zutreffend und überzeugend ausgeführt, dass es der Bekl. nach Treu und Glauben verwehrt sei, sich bereits jetzt auf den Änderungsvorbehalt in der Zusatzvereinbarung zu berufen. Der Bekl. sei zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bekannt gewesen, dass sie eine Leistung, errechnet anhand der Sterbetafel 1987, nicht mehr in Zukunft erbringen könne.
b) Denn bereits am 26.9.1994 habe die deutsche Aktuarvereinigung ihre Mitglieder in der Mitteilung Nr. 3/94 auf die "vorliegenden Zwischenergebnisse" einer erheblichen Verbesserung der Sterblichkeit und daraus resultierende entsprechende Anforderungen an die Rückstellungsbildung hingewiesen. Das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen (BAV) habe in der Zeitschrift VerBAV, Ausgabe Nr. 2/95, auf die neuen Rechtsgrundlagen im Hinblick auf die von der deutschen Aktuarvereinigung erstellte "DAV-Sterbetafel 1994 R" hingewiesen. In VerBAV 8/95 sei ein Rundschreiben R 1/95 des BAV veröffentlicht worden, in welchem die Anordnung ergangen sei, die Deckungsrückstellung der nach dem 31.12.1995 geschlossenen Rentenversicherungsverträge gem. DAV-Sterbetafel 1994 R zu berechnen. Weiterhin beinhalte das Rundschreiben ein ausdrückliches Verbot der Werbung mit Überschussanteilen, bei denen eine künftige Herabsetzung bereits absehbar ist. Die aktuellen Sterbetafeln hätten im Februar 1995 vorgelegen. Die Bekl. habe im Jahr 1995 die Firma T. bereits mit der Neuberechnung beauftragt gehabt. Auch wenn diese Neuberechnung zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses im Dezember 1995 noch nicht vorgelegen habe, sei ihr doch bei Vertragsabschluss bewusst gewesen, dass eine Regulierung der Überschussanteile aufgrund der veränderten "verbesserten Sterblichkeitserwartung" eintreten werde.
c) Der Einwand der Bekl., die Rundschreiben in VerBAV 2/95 und 8/95 hätten nur Lebensversicherungen betroffen, sei unerheblich. Die Veränderung der Sterblichkeitsentwicklung betreffe Lebensversicherungsverträge wie Rentenversicherungsverträge gleichermaßen. Auch der Hinweis, die Verwendung der DAV-Sterbetafel 1994 R für abgeschlossene Rentenversicherungsverträge sei erst für nach dem 31.12.1995 abgeschlossene Versicherungsverträge durch die Anordnung des BAV (VerBAV 2/95 v. 28.02.1995) vorgeschrieben, gehe an der Sache vorbei. Denn die Bekl. habe bereits Anfang 1995 gewusst, dass eine Überschussbeteiligung auf der Basis der Sterbetafel 1987 für die Zukunft nicht mehr zu erzielen war.
d) Der Berufung könne nicht gefolgt werden, soweit sie argumentiere, in den Anlagen zum Versicherungsschein sei ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass die Zusatzrente nicht für die gesamte Rentenlaufzeit garantiert werden könne und die gegenwärtige Höhe nur so lange gelte, bis die Überschussanteilsätze neu festgelegt würden. Der Kl. habe nicht mit einer kurzfristigen Kürzung seiner Zusatzrente rechnen müssen. Die Anlage zum Versicherungschein enthalte nicht den Hinweis, dass die Höhe der Zusatzrente auf der Basis der Sterbetafel 1987 beruht und unter Ansatz der Sterbetafel 1994 die Zusatzrente in Kürze reduziert werde. Hätte die Bekl. einen entsprechenden Hinweis gemacht, sei es dem Kl. möglich gewesen, bei einem anderen Versicherer einen Rentenversicherungsvertrag abzuschließen, der bereits die Sterbetafel 1994 berücksichtigt hatte. Der Kl. habe hierzu detailliert vorgetragen.
II.
2. Klarstellend bemerkte das Gericht, dass eine Änderung der Höhe der Zusatzrente aufgrund evtl. vertraglich oder gesetzlich vorgesehener künftiger Änderungen vorbehalten bleibe. Der Bekl. sei jedoch auf Dauer verwehrt, eine Änderung darauf zu stützen, dass sie die Höhe der Zusatzrente und Überschussbeteiligung aufgrund...