Leitsatz
Nachdem das OLG Köln und der BGH schon entschieden haben, dass die bis zum 31.10.2008 geltenden Eigenkapitalersatzregeln weiterhin gelten, wenn bis zu diesem Zeitpunkt ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde, hat sich das OLG Thüringen dieser Ansicht angeschlossen. Aufhorchen lässt die Begründung des OLG Thüringen, die eine starke Ausdehnung dieser Rechtsprechung befürchten lässt.
Vor Inkrafttreten des MoMiG zum 01.11.2008 verstieß die Rückzahlung von in der Krise einer Kapitalgesellschaft gewährten - und daher eigenkapitalersetzenden - Darlehen gegen die §§ 32a/b GmbHG und die sog. Rechtsprechungsregeln. Die Darlehensrückzahlung wurde einer Eigenkapitalrückzahlung gleichgestellt, was bei Vorliegen einer Unterbilanz (wenn das Eigenkapital geringer ist als das Stammkapital) unzulässig ist. Der Rückzahlung von eigenkapitalersetzenden Darlehen war eine Vielzahl wirtschaftlich vergleichbarer Sachverhalte gleichgestellt, z.B. die Sicherheitsleistung eines Gesellschafters für der Gesellschaft gewährte Bankdarlehen.
Seit dem 1.11.2008 ist die Rückzahlung von Gesellschafterdarlehen zulässig, soweit hierdurch nicht die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft ausgelöst wird. Die Zahlungen können jedoch ggf. angefochten (d.h. zurückverlangt) werden, insbesondere vom Insolvenzverwalter. Diese Regelung ist für Gesellschafter, die ihrer Gesellschaft ein Darlehen gewährt haben, regelmäßig deutlich günstiger als die Rechtslage bis zum 1.11.2008. Auch den Geschäftsführern droht nicht so schnell eine Haftung.
Das OLG Köln (Urteil v. 11.12.2008. 18 U 138/07) und der BGH (Urteil v. 26.1.2009, II ZR 260/07) haben entschieden, dass die Neuregelungen des MoMiG zumindest in den Fällen nicht gelten, in denen vor dem 1.11.2008 ein Insolvenzverfahren eröffnet worden war. Begründet wurde dies insbesondere mit der Übergangsvorschrift des § 103d EGInsO, wonach auf vor dem 1.11.2008 eröffnete Insolvenzverfahren die bis dahin geltenden gesetzlichen Regelungen Anwendung finden. Zu diesen gesetzlichen Regelungen zählt der BGH auch die sog. Rechtsprechungsregeln.
Der vom OLG Thüringen zu entscheidende Sachverhalt war den vom OLG Köln und dem BGH entschiedenen Fällen vergleichbar: Vor dem 1.11.2008 war über das Vermögen einer GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet worden, in dessen Rahmen über die Rückzahlung von eigenkapitalersetzenden Darlehen gestritten wurde.
Das OLG Thüringen kommt zum gleichen Ergebnis wie vor ihm das OLG Köln und der BGH: Nicht die Neuregelungen des MoMiG finden Anwendung, sondern das bis zum 31.10.2008 geltende Recht, mit allen für die Gesellschafter verbundenen Nachteilen.
Aufhorchen lässt jedoch die Begründung des OLG Thüringen. Anders als das OLG Köln und der BGH vor ihm stützt es sich nicht auf § 103d InsO, sondern lehnt dessen Anwendung ausdrücklich ab (was angesichts der zwischenzeitlich veröffentlichten Begründung der BGH-Entscheidung überholt ist). Das OLG Thüringen wählt vielmehr eine vom Insolvenzrecht vollkommen unabhängige Begründung, die der BGH als zusätzliches Argument ebenfalls verwendet hat. Danach gilt für jedes Schuldverhältnis das zum Zeitpunkt seiner Begründung bestehende Recht - es sei denn, dass der Gesetzgeber ausdrücklich eine Rückwirkung der Neuregelungen angeordnet habe. Und daran fehlt es beim MoMiG.
Das OLG Thüringen lässt dabei offen, welcher Zeitpunkt für die Bestimmung des anwendbaren Rechts der entscheidende ist: Die Gewährung des Gesellschafterdarlehens oder dessen Rückzahlung. "Jedenfalls dann" - so das OLG Thüringen - wenn sowohl Darlehensgewährung als auch Rückzahlung noch vor dem 1.11.2008 erfolgten, ist die Rechtmäßigkeit der Rückzahlung nach den bis dahin geltenden Regeln zu bewerten. Die Neuregelungen des MoMiG finden keine Anwendung.
Hinweis
Schon mit der Entscheidung des BGH war klar, dass die komplizierten Regelungen des bis zum 31.10.2008 geltenden Eigenkapitalersatzrechts uns noch viele Jahre erhalten bleiben. Der gesetzgeberische Wille, diese Regelungen mit dem MoMiG abzuschaffen bzw. zu vereinfachen, greift nicht für "Altfälle".
Schon bisher stand fest, dass zu den "Altfällen" alle diejenigen gehören, die im Rahmen von vor dem 1.11.2008 eröffneten Insolvenzverfahren auftreten. Nunmehr ist von einer deutlichen Ausdehnung auszugehen: Auch wenn das Insolvenzverfahren erst nach dem 1.11.2008 eröffnet wurde/wird, gelten nicht die Neuregelungen des MoMiG, wenn die Darlehensgewährung und dessen Rückzahlung vor dem 1.11.2008 erfolgten. In diesen Fällen sind vielmehr stets die bis dahin geltenden Regelungen des Eigenkapitalersatzrechts anzuwenden. Zu befürchten ist, dass auch dies noch nicht den Schlusspunkt darstellt: Die Rechtsprechung könnte es sogar genügen lassen, dass nur die Darlehensgewährung vor dem 1.11.2008 erfolgte (unabhängig davon, ob das Darlehen auch vor dem 1.11.2008 zurückgezahlt wurde). Damit würde die Zahl der "Altfälle", auf die die alten Regelungen des Eigenkapitalersatzrechts doch noch anzuwenden sind, deutlich ausgeweitet.
Die Folgen treffen nicht nur Insolvenzver...