Ralph Gübner, Detlef Burhoff
Das Wichtigste in Kürze:
1. |
Bei der Geschwindigkeitsermittlung durch Nachfahren ist zu unterscheiden zwischen der "einfachen" Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren (ohne geeichte Aufzeichnung) und der Messung mit speziellen Video-Nachfahrsystemen. |
2. |
Der Einsatz ungeeichter Messgeräte oder nur von Zeugenaussagen soll nicht zur völligen Unverwertbarkeit der Messergebnisse führen. |
3. |
Bei der "einfachen" Geschwindigkeitsermittlung durch Nachfahren können Fehler aus einem Zusammenspiel technischer (kein geeichter oder justierter Tachometer) und menschlicher (Ablesefehler, Schätzfehler, etc.) Fehler entstehen. |
4. |
Zum Ausgleich unterschiedlicher Fehlerquellen werden unterschiedlich hohe Toleranzabzüge gefordert. |
Rdn 2140
Literaturhinweise:
Burhoff, Geschwindigkeitsmessung mit dem Police-Pilot-System, VA 2001, 59
Krumm, Geschwindigkeitsmessung und Abstandsfeststellung durch Nach- oder Vorausfahren ohne weiteres technisches Gerät, NZV 2004, 377
s. auch die Hinw. bei → Geschwindigkeitsüberschreitung, Messverfahren, Allgemeines, Rdn 1922 und → Geschwindigkeitsüberschreitung, Allgemeines, Rdn 1892.
Rdn 2141
1. In Deutschland sind derzeit mehrere Messsysteme zur Nachfahrt mit Videoaufzeichnung zugelassen, deren Funktionsweise im Wesentlichen identisch ist. Nicht vom standardisierten Messverfahren abgedeckt ist die Abstandsmessung, bei der die betreffenden Fahrzeuge durch händisches Spulen bzw. Zählen an übereinstimmende Be-zugspunkte geführt werden müssen; hier zeigt die tägliche Praxis regelmäßig Auswertefehler, teils sogar grundsätzlich falsche Vorgehensweisen
Rdn 2142
Das System wird in ein Fahrzeug, wahlweise Pkw oder Motorrad, eingebaut. Abhängig von den in diesem Trägerfahrzeug verwendeten Bauteilen greift das Messsystem entweder direkt oder indirekt die Wegstreckeninformationen ab. Unabhängig davon sorgt eine parallel laufende Uhr dafür, dass jedes einzelne Videobild eine Nummerierung erfährt. Sowohl die Weg- als auch Zeitinformation beginnen mit Einschalten des Messgerätes zu laufen und werden – sobald die Fahrzeugbesatzung eine verdachtsabhängige Videoaufzeichnung startet – im Beweisvideo ein-geblendet.
Rdn 2143
Zur Aufzeichnung dienen hierbei ein Rekorder und ein (handelsübliches) Magnetband, typischerweise in Form einer VHS-Kassette oder eines DV- bzw. MiniDV-Bandes. (zum Messen durch Nachfahren auch Burhoff/Grün, § 1 Rn 1263 ff.).
Rdn 2144
2. Als Rohmessdaten ist insofern diese jeweilige Videokassette zu verstehen, die anhand der Zeiteinblendung und der nachträglich rekonstruierbaren Wegstrecken (bspw. anhand der Leitlinien mit ihrem festen Markierungsschema oder mittels in Video und Luftbild erkennbarer Be-zugspunkte) eine nachträgliche und unabhängige Auswertung der Fahrabläufe ermöglicht.
Rdn 2145
3. Soweit es sich um einen Fahrzeugeinbau und damit ein "geschlossenes System" handelt, sind die technischen Anforderungen nicht an die Umgebung, sondern an das Trägerfahrzeug zu stellen.
Rdn 2146
Zunächst ist abhängig vom Fahrzeugtyp, dem verbauten Wegimpulsgeber und der Weiterverarbeitung / Übertragung der Wegstreckensignale der Einsatz weiterer Gerätekomponenten erforderlich. Möglich sind etwa der Einsatz in Fahrzeugen mit direkt zugänglichen Wegstreckenimpulsen von einem Wegimpulsgeber und ggf. Signalverstärker, separate Wegimpulsgeber mit mechanischem Abgriff, der Einsatz in Fahrzeugen mit "aktiven" Radsensoren oder Einsatz in Fahrzeugen mit digitalem Signalweg über CAN-Bus mit Wegstreckensignalkonverter und ggf. Kontrollbaugruppe. Ferner ergeben sich gemäß der Gerätezulassung konkrete Anforderungen an die Einhaltung bestimmter Kabellängen je nach verwendetem Kabelsatz (zu detaillierten und zugleich für den technischen Bereich nachvollziehbare Beschreibungen der einzelnen Messsysteme Burhoff/Grün, §1 Rn 1263 ff.).
Rdn 2147
Und ebenso kommt der Bereifung des Messfahrzeuges eine ganz wesentliche Bedeutung zu, da hierdurch ein (gegenüber der Eichung) abweichender Abrollumfang und damit fehlerhafte Wegstreckeninformationen möglich sind.
Rdn 2148
4.a) Die Videonachfahrsysteme sind zur Geschwindigkeitsmessung bzw. zum einzelnen Abgriff der Wegstrecken- und Zeitinformationen konzipiert; nur diese Größen unterliegen der Eichung können vom sog. "standardisierten Messverfahren" verwendet werden. Die klassische und häufigste Vorgehensweise stellen Vorgänge im Sinne einer "AUTO2"-Messung dar. Hierbei wird durch gleichzeitiges Starten und später durch gleichzeitiges Stoppen der Wegstrecken- und Zeitmessung die Durchschnittsgeschwindigkeit des Messfahrzeugs ermittelt und muss anschließend unter Abstandsbetrachtung auf das zu messende Fahrzeug übertragen werden. Kommt es hier also zu einem Aufschließen des Messfahrzeugs, ist der vorgeworfene Wert zwangsweise zu hoch und damit fehlerhaft.
Rdn 2149
b) Fehler bei der Messdurchführung sind unabhängig von der angewandten Messmethode durchaus üblich. Der Fehler entsteht dabei nicht durch fehlerhafte Ermittlung eines Rechenergebnisses, sondern durch fehlerhafte Bestimmung von Messb...