Ralph Gübner, Detlef Burhoff
Das Wichtigste in Kürze:
1. |
Eine Verurteilung wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung kann grds. auch auf der Grundlage eines Geständnisses des Betroffenen erfolgen. |
2. |
Liegt ein Geständnis des Betroffenen vor, werden in der obergerichtlichen Rechtsprechung die Anforderungen an die tatsächlichen Feststellungen teilweise – noch weiter als bei einem standardisierten Messverfahren – reduziert. |
3. |
Reduzierte Feststellungen kommen – wenn überhaupt – allerdings nur in Betracht, wenn der Betroffene die Geschwindigkeitsüberschreitung überhaupt eingeräumt und ein (qualifiziertes) Geständnis im eigentlichen Sinn abgelegt hat. |
4. |
Die Frage, ob reduzierte Feststellungen zulässig sind oder nicht, hat in zweierlei Hinsicht Auswirkungen. |
Rdn 2206
Literaturhinweise:
Cierniak, Prozessuale Anforderungen an den Nachweis von Verkehrsverstößen, zfs 2012, 664
Grube, Zum sog. qualifizierten Geständnis bei Geschwindigkeitsverstößen, DAR 2013, 601
Niehaus, Rechtsmittelbeschränkung in Verkehrsordnungswidrigkeitenverfahren, NZV 2003, 409
s. auch die Hinw. bei → Geschwindigkeitsüberschreitung, Messverfahren, Allgemeines, Rdn 1922
→ Geschwindigkeitsüberschreitung, Urteil, Allgemeines, Rdn 2180.
Rdn 2207
1. Eine Verurteilung wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung kann grds. auch auf der Grundlage eines Geständnisses des Betroffenen erfolgen (BGHSt 39, 291 = NJW 1993, 3081; OLG Bamberg VRR 2006, 469; zfs 2007, 291 = NStZ-RR 2007, 321; OLG Braunschweig VA 2013, 174; OLG Frankfurt am Main DAR 2009, 469 = NZV 2009, 404 = StraFo 2009, 334; OLG Hamm DAR 2002, 226 = NZV 2002, 245 = VRS 102, 218; VA 2011, 101; Beschl. v. 18.9.2008 – 2 Ss OWi 707/08; OLG Jena DAR 2002, 325; NJW 2006, 1075 = DAR 2006, 163; OLG Karlsruhe NZV 2005, 54; VRR 2007, 35 = zfs 2007, 113 = VRS 111, 427; OLG Köln NZV 2003, 100; OLG Naumburg zfs 1997, 194; OLG Saarbrücken VRS 110, 433 = VRR 2006, 356; OLG Schleswig, Beschl. v. 26.2.2003 – 1 Ss OWi 12/03; OLG Zweibrücken DAR 2003, 531; dazu Niehaus NZV 2003, 409; Grube DAR 2013, 601). Das gilt nicht nur für eine Messung mit einem standardisierten Verfahren, sondern auch für die Messung mit PPS und ggf. für das Nachfahren (OLG Hamm NZV 1999, 391; DAR 2002, 226 = NZV 2002, 245 = VRS 102, 218).
☆ Die Feststellung der Geschwindigkeitsüberschreitung kann der Tatrichter auf die geständige Einlassung des Betroffenen jedoch nur stützen, wenn er überzeugt ist, dass die Angaben zutreffend sind, nicht jedoch, wenn auf diese Weise lediglich die Beweisaufnahme abgekürzt werden soll. Wenn der Betroffene Angaben zur eingehaltenen Geschwindigkeit aufgrund eigener Wahrnehmungen macht, ist bei einer Schätzung oder dem Ablesen des eigenen nicht justierten Tachometers zudem ein Sicherheitsabschlag vorzunehmen (OLG Zweibrücken DAR 2003, 531).überzeugt ist, dass die Angaben zutreffend sind, nicht jedoch, wenn auf diese Weise lediglich die Beweisaufnahme abgekürzt werden soll. Wenn der Betroffene Angaben zur eingehaltenen Geschwindigkeit aufgrund eigener Wahrnehmungen macht, ist bei einer Schätzung oder dem Ablesen des eigenen nicht justierten Tachometers zudem ein Sicherheitsabschlag vorzunehmen (OLG Zweibrücken DAR 2003, 531).
Rdn 2208
2. Liegt ein Geständnis des Betroffenen vor, werden in der obergerichtlichen Rechtsprechung die Anforderungen an die tatsächlichen Feststellungen teilweise – noch weiter als bei einem standardisierten Messverfahren – reduziert (so wohl auch BGHSt 39, 291 = NJW 1993, 3081).
Rdn 2209
Ob und inwieweit das zulässig ist, ist allerdings umstritten:
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Nach einer Auffassung ist das amtsrichterliche Urteil nicht lückenhaft, wenn es zwar keine Angaben zu dem vorgenommenen Toleranzabzug enthält, aber ein Geständnis des Betroffenen vorliegt oder der Betroffene nach Einholung eines Sachverständigengutachtens die gefahrene Geschwindigkeit eingeräumt hat (OLG Bamberg, Beschl. v. 20.10.2015 – 3 Ss OWi 1220/15; Beschl. v. 6.10.2017 – 3 Ss OWi 1420/17, DAR 2018, 93; OLG Frankfurt am Main DAR 2009, 469 = NZV 2009, 404 = StraFo 2009, 334; OLG Karlsruhe NZV 2005, 54; vgl. aber VRR 2007, 35 = zfs 2007, 113 = VRS 111, 427; OLG Koblenz NZV 2013, 202 = DAR 2013, 218 [allerdings ohne nähere Begründung]; OLG Köln NZV 2003, 100 und dazu Niehaus NZV 2003, 409; OLG Saarbrücken VRS 110, 433 = VRR 2006, 356; vgl. auch OLG Hamm [3. Senat für Bußgeldsachen] VA 2004, 121 [Ls.]; VRR 2011, 433; 2006, 35; NStZ-RR 2008, 355 für Abstandsmessung; s.a. Hentschel/König/Dauer/König, § 3 StVO Rn 62 m.w.N.). |
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Nach anderer Auffassung ist das Urteil hingegen lückenhaft ([früher] OLG Bamberg VRR 2006, 469; DAR 2009, 655 = VRR 2010, 34 [Abstand]; DAR 2012, 154 = VRR 2012, 148 [Abstand]; OLG Braunschweig VA 2012, 174; OLG Celle zfs 2009, 472; OLG Hamm DAR 2004, 108 = NStZ 2004, 322; NZV 2002, 282 = zfs 2002, 404; krit. abl. Cierniak zfs 2012, 664, 679). Der 2. Senat für Bußgeldsachen des OLG Hamm ist allerdings davon ausgegangen, dass die Angabe des Toleranzabzugs jedenfalls dann entbehrlich ist, wenn sich aus sonstigen Umständen ergibt, dass es sich bei der der ... |