G / 23 Geschwindigkeitsüberschreitung, Urteil, PPS/Provida [Rdn 2217]

Das Wichtigste in Kürze:

1.	Eins der polizeilichen Geschwindigkeitsmessverfahren, das in den vergangenen Jahren in der Praxis immer mehr an Bedeutung zugenommen hat, ist die Messung mit dem sog. Police-Pilot-System (PPS) oder dem ProViDa-Gerät.
2.	Das PPS/ProVida hat für Geschwindigkeitsmessungen unterschiedliche Einsatzmöglichkeiten.
3.	Bei der Geschwindigkeitsmessung mit PPS/ProVida kommen fünf Einsatzmöglichkeiten in Betracht.
4.	Die Geschwindigkeitsermittlung auf der Grundlage des PPS/ProVida ist als sog. standardisiertes Messverfahren i.S.d. Rechtsprechung des BGH anerkannt.
5.	Der Amtsrichter muss nur dann die Zuverlässigkeit der – in einem standardisierten Messverfahren erfolgten – Messung überprüfen und sich damit in den Urteilsgründen befassen, wenn konkrete Anhaltspunkte für Messfehler bestehen.
6.	Besondere Anforderungen gelten, wenn die Messung von einem Motorrad aus durchgeführt wird.

Rdn 2218

Literaturhinweise:

Burhoff, Geschwindigkeitsmessung mit dem Police-Pilot-System, VA 2001, 59

Golder, Toleranzproblematik bei der Geschwindigkeitsmessanlage ProViDa, VRR 2011, 96

M. Grün, Toleranzproblematik bei der Geschwindigkeitsmessanlage ProVida, VRR 2011, 96

Holtkötter, ProViDA – Neue Auswertehilfe – nicht nur für kritische Fälle, VRR 2011, 255

Krumm, Geschwindigkeitsmessungen mit dem Provida-System, SVR 2008, 413

Plöckl, Geschwindigkeitsmessung mit dem Police-Pilot-System, DAR 1991, 236

Schrey/Haug, Der Umfang richterlicher Kontrolle bei Entscheidungen über Geschwindigkeitsverstöße, NJW 2010, 2917

s. auch die Hinw. bei → Geschwindigkeitsüberschreitung, Allgemeines, Rdn 1892, bei → Geschwindigkeitsüberschreitung, Messverfahren, Nachfahren, Rechtliches, u.a., Rdn 2026, und bei → Geschwindigkeitsüberschreitung, Urteil, Allgemeines, Rdn 2180.

Rdn 2219

1. Die Messung mit dem sog. Police-Pilot-System (PPS) oder dem ProViDa-Gerät (→ Geschwindigkeitsüberschreitung, Messverfahren, Video mobil, Rdn 2139; → Geschwindigkeitsüberschreitung, Messverfahren, Video stationär, Rdn 2151; Plöckl DAR 1991, 236; Burhoff/Grün, Teil 1 Rn 1263 ff.) hat in den vergangenen Jahren in der Praxis der Geschwindigkeitsüberwachung an Bedeutung zugenommen, nicht zuletzt, weil es eine praktikable Möglichkeit zur beweissicheren Messung von Motorrädern aus und betreffend Motorräder darstellt.

☆ Die aufgrund der Entscheidung des BVerfG v. 11.8.2009 (2 BvR 941/08; NJW 2009, 3293 = VRR 2009, 355 = StRR 2009, 356, jew. m. Anm. Burhoff ) problematischen Fragen der Zulässigkeit der verdachts(un)abhängigen (Video-)Messung und des Vorliegens eines Beweisverwertungsverbots sind/waren dargestellt bei → Beweisverwertungsverbote, Videoüberwachung, Allgemeines , Rdn 624 (zur nach der vermehrten Enttabuisierung im zivilrechtlichen Bereich [s. insbes. BGH, Urt. v. 15.5.2018 – VI ZR 233/17 = BGHZ 218 348] und aufgrund der fortschreitenden Modernisierung der Polizeibehörden zunehmenden Relevanz von Dashcam -Aufzeichnungen im verkehrsordnungsrechtlichen Bereich OLG Stuttgart, Beschl. v. 4.5.2016 – 4 Ss 543/15).Burhoff) problematischen Fragen der Zulässigkeit der verdachts(un)abhängigen (Video-)Messung und des Vorliegens eines Beweisverwertungsverbots sind/waren dargestellt bei → Beweisverwertungsverbote, Videoüberwachung, Allgemeines, Rdn 624 (zur nach der vermehrten Enttabuisierung im zivilrechtlichen Bereich [s. insbes. BGH, Urt. v. 15.5.2018 – VI ZR 233/17 = BGHZ 218 348] und aufgrund der fortschreitenden Modernisierung der Polizeibehörden zunehmenden Relevanz von Dashcam-Aufzeichnungen im verkehrsordnungsrechtlichen Bereich OLG Stuttgart, Beschl. v. 4.5.2016 – 4 Ss 543/15).

Rdn 2220

Bei diesem (Mess-)Verfahren ist das für die Messung verwandte Messgerät im Polizeifahrzeug eingebaut. Es besteht aus einem geeichten digitalen Tachometer, einem Steuergerät (Police-Pilot) und einer Videoanlage zu Dokumentationszwecken. Die gemessenen Daten werden auf einem Monitor angezeigt und als Videoaufnahme gespeichert (Plöckl, a.a.O.; zum PPS/ProVida s.a. Burhoff/Grün, § 1 Rn 1263 ff.; grundlegend OLG Köln DAR 1999, 516 = VRS 97, 443; → Geschwindigkeitsüberschreitung, Messverfahren, Video mobil, Rdn 2043; → Geschwindigkeitsüberschreitung, Messverfahren, Video stationär, Rdn 2139; zur Auswertung Holtkötter VRR 2011, 255 ff.). Die Geschwindigkeitsmessung (mittels Provida) kann allerdings auch dergestalt erfolgen, dass aus einem gefertigten Video nachträglich eine Auswertestrecke festgelegt wird und für diese Strecke dann mittels Bildzähler eine Geschwindigkeitsberechnung anhand des Videos stattfindet (OLG Hamm, Beschl. v. 10.3.2020 – 4 RBs 87/20, zfs 2020, 472 [Geschwindigkeitsmessung auf einem Motorrad]; AG Lüdinghausen, Urt. v. 20.4.2015 – 19 Owi 89 Js 139/14).

Rdn 2221

Die Verkehrsüberwachungsanlage ProViDa kann zur Überwachung fast aller Bereiche des Straßenverkehrs eingesetzt werden. In der Praxis am häufigsten anzutreffen ist die Geschwindigkeitsmessung. Daneben wird das Messverfahren auch eingesetzt zur (gleichzeitigen) Abstandsmessung (dazu OLG Düsseldorf VA 2000, 49...