Leitsatz
In dem formularmäßigen Erdgassondervertrag eines Gasversorgungsunternehmens mit seinen Kunden ist die Preisanpassungsklausel "Der vorstehende Gaspreis ändert sich, wenn eine Änderung der allgemeinen Tarifpreise eintritt" gemäß § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam, weil sie hinsichtlich des Umfangs der Preisänderung nicht klar und verständlich ist und die Kunden deswegen unangemessen benachteiligt.
(amtlicher Leitsatz des BGH)
Normenkette
BGB § 307 Abs. 1
Kommentar
Zwischen einem regionalen Gasversorgungsunternehmen und dem Eigentümer eines Einfamilienhauses besteht ein Erdgassondervertrag über die Lieferung von Erdgas, das der Versorger seinerseits von einem überregionalen Gasversorgungsunternehmen bezieht. Der Vertrag enthält unter anderem unter § 2 Nr. 2 die im Leitsatz wiedergegebene Preisanpassungsklausel.
Der Arbeitspreis betrug zunächst 3,15 Cent/kWh. Der Gasversorger hat diesen Preis aufgrund der Anpassungsklausel zum 1. Januar 2005 um 0,5 Cent auf 3,65 Cent/kWh erhöht. Der Kunde hat die Feststellung beantragt, dass die Erhöhung unwirksam ist.
Der BGH hat der Klage stattgegeben: Die Preisanpassungsklausel verstößt gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB. Danach kann sich die Unangemessenheit einer Klausel auch daraus ergeben, dass sie nicht klar und verständlich ist. Der BGH führt dazu aus, dass die Klausel zwar die Voraussetzungen einer Preisänderung (Erhöhung der allgemeinen Tarifpreise) regle. Auch ergebe sich im Wege der Auslegung, dass durch die Klausel nicht nur Tariferhöhungen, sondern auch Tarifsenkungen erfasst werden. Jedoch sei unklar, wie sich eine Änderung des allgemeinen Tarifpreises auswirkt. In Betracht komme
- eine nominale Anpassung (Eine Erhöhung des Tarifpreises von 0,5 Cent führt zu einer Erhöhung des Sonderkundenpreises um 0,5 Cent, also von 3,15 Cent auf 3,65 Cent.)
- eine prozentuale Anpassung (Der Tarifpreis von 5 Cent wird um 10 % = 0,5 Cent erhöht. Die Erhöhung des Sonderkundenpreises von 3,15 Cent um 10 % führt zu einem Betrag von 3,47 Cent.)
- ein Leistungsbestimmungsrecht des Versorgungsunternehmens (Der Gasversorger kann den Sonderkundenpreis erhöhen, wenn sich der Tarifpreis erhöht. Eine rechnerische Bindung besteht nicht.)
Die sich hieraus ergebende Unsicherheit führt zur Unwirkamkeit der Klausel, weil der Kunde die Zulässigkeit einer Preisänderung nicht verlässlich nachprüfen kann.
1. Der Kartellsenat des BGH hatte in dem Urteil vom 29.4.2008 (KZR 2/07, NJW 2008, 2172) über die Wirksamkeit einer Preisanpassungsklausel zu entscheiden, nach der das Versorgungsunternehmen "berechtigt ... (war), die Gaspreise zu ändern, wenn eine Preisänderung durch den Vorlieferanten ... erfolgt." Nach der Auffassung des Kartellsenats ist auch diese Klausel mehrdeutig. Sie lasse zwar die Auslegung zu, dass der Gaspreis auch nach unten angepasst werden muss, wenn der Vorlieferant die Preise senkt ("zu ändern"). Die Klausel könne aber auch so verstanden werden, dass sie nur für Preiserhöhungen gilt ("ist berechtigt"). Mehrdeutige Klauseln sind so auszulegen, wie dies dem Kunden am günstigsten ist. Danach gilt für die Klauselkontrolle, dass die Regelung in § 2 Nr. 2 des Vertrags nur Preiserhöhungen regelt; mit diesem Inhalt ist die Klausel unwirksam.
2. Die Rechtsprechung des BGH zur Wirksamkeit von Preisanpassungsklauseln der Gasversorger hat erhebliche Auswirkungen auf die Miete. Der Eigentümer eines mit Erdgas beheizten Gebäudes kann Preiserhöhungen nicht ohne Weiteres an die Mieter weitergeben. Vielmehr ist er aufgrund des Wirtschaftlichkeitsgrundsatzes (§ 556 Abs. 3 S. 1 BGB) verpflichtet zu prüfen, ob die Erhöhung gerechtfertigt ist. Zwar ist es dem Vermieter im Allgemeinen nicht zuzumuten, mit dem Gasversorger einen riskanten Rechtsstreit zu führen. Anders ist es hingegen, wenn die Preiserhöhung auf eine Vertragsklausel gestützt wird, die nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung unwirksam ist.
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil vom 17.12.2008, VIII ZR 274/06BGH, Urteil v. 17.12.2008, VIII ZR 274/06, NJW 2009, 578