Zusammenfassung
Produkthaftung stellt bereits heute ein erhebliches Risiko für Unternehmen dar. Der Entwurf der neuen EU-Produkthaftungsrichtlinie wird dieses Risiko noch verschärfen. Der Beitrag soll helfen, diese Risiken zu identifizieren und aufzeigen, wie Unternehmen sich dagegen bestmöglich absichern können.
Zentrale Vorschrift des Produkthaftungsgesetzes (ProdHaftG) ist § 1 Abs. 1 ProdHaftG. Danach muss der Hersteller eines fehlerhaften Produktes Schadensersatz leisten, wenn durch das fehlerhafte Produkt ein Mensch getötet oder verletzt wird oder wenn dieses Produkt eine andere privat verwendete Sache beschädigt. Dabei handelt es sich um eine sog. Gefährdungshaftung, bei der es keine Rolle spielt, ob der Hersteller den Produktfehler verschuldet hat oder nicht. Die Möglichkeiten sich zu entlasten sind dabei sehr gering. Der Hersteller kann sich nur von der strengen Haftung befreien, wenn er die im Gesetz vorgesehenen Entlastungsgründe beweisen kann.
Bereits heute stellt die Produkthaftung als Gefährdungshaftung ein erhebliches Risiko für Unternehmen dar. Die Europäische Kommission hat am 28.9.2022 einen Entwurf für eine neue EU-Produkthaftungsrichtlinie veröffentlicht, die die Risiken für Unternehmen noch erheblich verschärfen könnte. Die neue EU-Richtlinie soll dem Umstand Rechnung tragen, dass immer mehr digitale Produkte vertrieben werden. Dadurch wird der Anwendungsbereich in mehrfacher Hinsicht erweitert. Unter anderem stellt die Richtlinie klar, dass Software als "Produkt" im Sinne des europäischen Produkthaftungsrechts gelten soll. Dies war bisher umstritten. Auch der personelle Anwendungsbereich der Produkthaftung soll erweitert werden. Zukünftig sehen sich daher auch Unternehmen mit Produkthaftungsrisiken konfrontiert, für die Produkthaftung bislang noch kein Thema war. Verschärft wird das Risiko zudem durch den Wegfall von Haftungshöchstgrenzen und Selbstbehalten.
Umso wichtiger ist es, drohende Risiken zu identifizieren und sich bestmöglich dagegen abzusichern. Eine Absicherung muss dabei auf mehreren Ebenen erfolgen: Bereits bei der Vertragsgestaltung sollten entsprechende Vorgaben, Kontrollrechte und Haftungsverteilungen berücksichtigt werden. Darüber hinaus ist eine sorgfältige Konstruktion, nebst dokumentierter Überwachung der Produktion und der Produkte unerlässlich. Vor allem aber sollten Unternehmen sich ausreichend versichern und vor allem ihren Versicherungsschutz regelmäßig überprüfen und falls erforderlich anpassen.
Wer ist Hersteller im Sinne des ProdHaftG?
Um das eigene Risiko einschätzen zu können, ist es zunächst wichtig zu wissen, wer eigentlich Hersteller im Sinne des ProdHaftG ist. Denn der Herstellerbegriff des ProdHaftG geht weiter als man nach dem allgemeinen Sprachgebrauch vermuten würde. Hersteller ist nicht nur der eigentliche Produzent der Ware, sondern auch der Hersteller eines Teilprodukts, das in ein anderes Produkt eingebaut wird. Zukünftig soll sogar ein Unternehmen, das ein Produkt im Sinne des Produktsicherheitsrechts "wesentlich verändert", wie ein Hersteller haften.
Auch der europäische Importeur der Ware haftet wie ein Hersteller, ebenso derjenige, der nur sein Logo oder seine eigene Marke am Produkt des Herstellers anbringt (sog. Quasi-Hersteller). Quasi-Hersteller sollten diesen Aspekt unbedingt bei der Entscheidung berücksichtigen, ob sie ein Fremdprodukt wirklich als eigene Marke oder mit eigener Kennzeichnung wollen.
Hersteller, Importeure und Quasi-Hersteller sollten bei der Vertragsgestaltung mit den Unternehmen, von denen sie die (Teil)Produkte beziehen, darauf achten, das Haftungsrisiko sowie die Qualitätssicherungspflichten angemessen zu verteilen. Soweit die Kostenübernahme im Haftungsfall vereinbart wird, sollte vom Zulieferer auch der Nachweis einer entsprechenden Versicherung verlangt werden.
Sind für denselben Schaden mehrere zum Schadensersatz verpflichtet, z.B. Hersteller und Importeur, dann haften sie als Gesamtschuldner. Der Geschädigte kann wählen, wem gegenüber er seinen Schaden geltend macht. Der Geschädigte wird sich in der Regel denjenigen aussuchen, der wirtschaftlich dazu am ehesten in der Lage ist. Derjenige, der vom Geschädigten in Anspruch genommen wurde, kann wiederum vom anderen Ersatz verlangen. Bei internationalen Lieferketten kann es für den Importeur schwierig werden, seine Ansprüche gegen einen ausländischen Hersteller durchzusetzen.
Selbst der Händler kann zur Haftung herangezogen werden, wenn der Hersteller nicht festgestellt werden kann oder wenn der Händler nicht innerhalb eines Monats den Hersteller bzw. den Herstellerlieferanten benennen kann. Um im Ernstfall diese Angaben machen zu können, sollte der Händler stets eine Liste mit den entsprechenden Daten zu Herstellern und ggf. Importeuren führen. Vor allem aber sollte er keine Produkte vertreiben, deren Hersteller unbekannt sind.
Neben dem Hersteller, dem Quasi-Hersteller und dem Einführer sollen künftig auch der Bevollmächtigte des Herstellers im Sinne des Produktsicherheit...