2.1 Zum Anlagenbegriff
Nicht jeder beliebige Zustand eines Nachbargrundstücks, der als Störung empfunden wird, berechtigt dazu, Abwehrmaßnahmen zu ergreifen. Nach dem Wortlaut des § 907 BGB sind vielmehr nur Störungen abwehrbar, die durch Anlagen oder ihre Benutzung verursacht werden. Anlagen in diesem Sinn sind nach allgemeiner Meinung nur künstlich geschaffene Werke von gewisser Selbstständigkeit und Dauer, die eine Verbindung mit dem Grund und Boden haben.
Dazu zählen vor allem
- Bauwerke und Bauteile,
- künstliche Teiche, Gräben, Erdaufschüttungen oder
- Dämme, die in Bewegung geraten können,
- Taubenschläge,
- mit dem Boden fest verbundene (nicht dagegen mobile) Bienenstöcke,
- gemauerte Gartengrills oder
- Tierställe.
2.1.1 Natürliche Geländebeschaffenheiten
Keine Anlagen im Sinn von § 907 BGB sind dagegen natürliche Geländebeschaffenheiten eines Grundstücks, die nicht auf menschliches Handeln zurückgehen.
Das betrifft etwa ein felsiges Hanggrundstück. Gegenüber einem Felsrutsch kann sich der Eigentümer eines Unterliegergrundstücks gegen den Oberlieger nur dann erfolgreich zur Wehr setzen oder von diesem bei einem eingetretenen Schaden Ersatz verlangen, wenn der Oberlieger durch Grundstücksveränderungen oder die Art seiner Grundstücksnutzung für den Felsrutsch verantwortlich ist. Wird der Felsrutsch dagegen ausschließlich durch Naturkräfte ausgelöst, muss der betroffene Unterlieger selbst für seinen Schutz sorgen. Denn durch sein Ansiedeln am Fuß des Felshangs hat er nach der Rechtsprechung seine Gefahrenlage durch eigenes Tun geschaffen.
Oberlieger kann aber "Zustandsstörer" sein
Auch wenn der Oberlieger für Gefahren, die auf Naturereignissen beruhen, zivilrechtlich nicht verantwortlich ist, kann ihm gleichwohl durch ordnungsbehördliche Verfügung aufgegeben werden, Felssicherungsmaßnahmen zu ergreifen, um tiefergelegene Wohnhäuser zu schützen. Denn nach öffentlichem Recht ist er "Zustandsstörer" im polizeirechtlichen Sinn.
2.1.2 Nicht willentlich geschaffene Zustände
Ebenso keine Anlagen im Sinn des § 907 BGB sind Zustände oder Gegebenheiten auf einem Nachbargrundstück, die ohne Willen des Eigentümers geschaffen wurden, wie etwa ein Trümmerhaufen als Folge von Kriegseinwirkungen.
2.1.3 Bodenerhöhungen
Schließlich sind keine Anlagen im Sinn von § 907 BGB nach der Rechtsprechung des BGH Bodenerhöhungen auf Nachbargrundstücken. Das wird verständlich, wenn man bedenkt, dass bei einer flächenhaften Bodenerhöhung der neue mit dem alten Boden so vermischt oder verbunden wird, dass die Bodenerhöhung als solche wohl kaum das Merkmal einer gewissen Selbstständigkeit erfüllen kann, die im Gegensatz dazu ein räumlich oder der Höhe nach abgegrenzter Erdwall durchaus besitzt. Für Bodenerhöhungen gelten daher die Sondervorschriften in den Nachbarrechtsgesetzen der Bundesländer (siehe hierzu ausführlich Wegner, Bodenerhöhungen und Grundstücksvertiefungen auf Nachbargrundstücken).
2.1.4 Bäume und Sträucher
Bäume und Sträucher sind kraft Gesetzes keine Anlagen im Sinn des § 907 BGB (§ 907 Abs. 2 BGB).
2.2 Was sind unzulässige Einwirkungen?
2.2.1 Ausgeschlossene Einwirkungen
So lange eine der in Kap. 2.1 bezeichneten Anlagen sich auf das Grundstück beschränkt, auf dem sie sich befindet und weder mit ihren Bestandteilen (etwa Staubverwehungen einer Erddeponie) noch in sonstiger Weise (etwa Lärmbelästigung und Kotverschmutzung durch die Tauben eines Taubenschlags) grenzüberschreitend auf benachbarte Grundstücke einwirkt, kann gegen sie auf der Grundlage des § 907 Abs. 1 BGB nichts unternommen werden.
2.2.1.1 Ästhetische oder optische Einwirkungen
Deshalb sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch sog. ideelle, d. h. ästhetische oder optische Einwirkungen (Belästigungen), wie etwa der Anblick eines benachbarten unaufgeräumten Lagerplatzes für Baumaterialien nach § 907 BGB im Allgemeinen nicht abwehrfähig.
Allerdings sollen nach Meinung des BGH in besonders krassen Fällen Abwehransprüche nicht ausgeschlossen sein.
"Müllplatz" an Grundstücksgrenze
Gestützt auf diese Rechtsmeinung hat das Amtsgericht Münster einen Beseitigungsanspruch des Nachbarn aus den §§ 1004 Abs. 1, 906 BGB in einem Fall anerkannt, in dem ein Grundstückseigentümer sozusagen provokativ unmittelbar an seiner Grundstücksgrenze eine blaue Regentonne, einen weißen und einen schwarzen Eimer, zerbrochene Gehwegplatten, Ziegelsteine und Betonsteine so abge...