Haufe Redaktion, Hans-Albert Wegner †
Zusammenfassung
Nicht immer entspricht es der wirklichen Interessenlage, sich bei störenden Einwirkungen aus der Nachbarschaft darauf zu beschränken, die Einwirkungen als solche mit der Nachbarklage nach § 1004 Abs. 1 BGB (des gestörten Grundstückseigentümers) bzw. nach § 862 Abs. 1 BGB (des gestörten Grundstücksmieters oder -pächters) abzuwehren. Denn in den Fällen, in denen diese Einwirkungen durch den störenden Zustand oder die störende Nutzung von baulichen oder anderen Anlagen auf Nachbargrundstücken verursacht werden, ist einem mehr geholfen, wenn diese Anlagen als Störungsquelle von vornherein verhindert oder zumindest später beseitigt werden können.
- Wenn z. B. in einem reinen Villenviertel der Nachbar mit dem Bau eines Taubenhauses beginnt, das für eine größere Taubenpopulation bestimmt ist, ist es wirksamer, dieses Vorhaben zu stoppen, anstatt sich später über den Lärm und die Verschmutzungen durch die Vögel in die Haare zu geraten.
- Ebenso ist es wirksamer, den Bau eines gemauerten Gartengrills auf dem Nachbargrundstück zu verhindern, als später wegen des Qualms bei dessen Benutzung vor Gericht ziehen zu müssen.
Aber auch dann, wenn Taubenhaus und gemauerter Gartengrill bereits vorhanden sind, ist es weiterführender, ihre Beseitigung verlangen zu können, anstatt nur ihre Auswirkungen zu bekämpfen.
1 Allgemeines
Geht von einem Bauwerk oder einer Anlage eine Gefahr aus, handelt es sich um eine gefahrdrohende Anlage (§ 907 BGB). § 907 BGB ist weitergehend als der nachbarrechtliche Abwehranspruch und räumt einen Anspruch auf Verhinderung oder Beseitigung der ganzen Anlage als Störungsursache ein, wenn mit Sicherheit vorauszusehen ist, dass der Bestand oder die Benutzung der Anlage eine unzulässige Einwirkung auf das eigene Grundstück zur Folge hat. Mit einer bloßen Unterlassung der störenden Benutzung braucht man sich also nicht zufrieden zu geben.
Besteht die Gefahr für das eigene Grundstück darin, dass auf dem Nachbargrundstück stehende Gebäude oder andere Werke, wie Mauern, Zäune, Baugerüste oder fest montierte Kräne einzustürzen oder sich Teile davon, wie etwa Dachziegel, zu lösen drohen, gibt § 908 BGB als gesetzlich geregelte Sondervorschrift für diese Fälle einen Anspruch gegen den Besitzer des Störergrundstücks auf Vornahme von gefahrenabwehrenden Maßnahmen.
Beide Ansprüche unterliegen nicht der Verjährung (§ 924 BGB) und können nach herrschender Meinung nur vom gestörten Grundstückseigentümer, nicht dagegen von Mietern oder Pächtern geltend gemacht werden.
2 Anspruch auf Unterlassung oder Beseitigung störender Anlagen auf Nachbargrundstücken (§ 907 BGB)
2.1 Zum Anlagenbegriff
Nicht jeder beliebige Zustand eines Nachbargrundstücks, der als Störung empfunden wird, berechtigt dazu, Abwehrmaßnahmen zu ergreifen. Nach dem Wortlaut des § 907 BGB sind vielmehr nur Störungen abwehrbar, die durch Anlagen oder ihre Benutzung verursacht werden. Anlagen in diesem Sinn sind nach allgemeiner Meinung nur künstlich geschaffene Werke von gewisser Selbstständigkeit und Dauer, die eine Verbindung mit dem Grund und Boden haben.
Dazu zählen vor allem
- Bauwerke und Bauteile,
- künstliche Teiche, Gräben, Erdaufschüttungen oder
- Dämme, die in Bewegung geraten können,
- Taubenschläge,
- mit dem Boden fest verbundene (nicht dagegen mobile) Bienenstöcke,
- gemauerte Gartengrills oder
- Tierställe.
2.1.1 Natürliche Geländebeschaffenheiten
Keine Anlagen im Sinn von § 907 BGB sind dagegen natürliche Geländebeschaffenheiten eines Grundstücks, die nicht auf menschliches Handeln zurückgehen.
Das betrifft etwa ein felsiges Hanggrundstück. Gegenüber einem Felsrutsch kann sich der Eigentümer eines Unterliegergrundstücks gegen den Oberlieger nur dann erfolgreich zur Wehr setzen oder von diesem bei einem eingetretenen Schaden Ersatz verlangen, wenn der Oberlieger durch Grundstücksveränderungen oder die Art seiner Grundstücksnutzung für den Felsrutsch verantwortlich ist. Wird der Felsrutsch dagegen ausschließlich durch Naturkräfte ausgelöst, muss der betroffene Unterlieger selbst für seinen Schutz sorgen. Denn durch sein Ansiedeln am Fuß des Felshangs hat er nach der Rechtsprechung seine Gefahrenlage durch eigenes Tun geschaffen.
Oberlieger kann aber "Zustandsstörer" sein
Auch wenn der Oberlieger für Gefahren, die auf Naturereignissen beruhen, zivilrechtlich nicht verantwortlich ist, kann ihm gleichwohl durch ordnungsbehördliche Verfügung aufgegeben werden, Felssicherungsmaßnahmen zu ergreifen, um tiefergelegene Wohnhäuser zu schützen. Denn nach öffentlichem Recht ist er "Zustandsstörer" im polizeirechtlichen Sinn.
2.1.2 Nicht willentlich geschaffene Zustände
Ebenso keine Anlagen im Sinn des § 907 BGB sind Zustände oder Gegebenheiten auf einem ...