Leitsatz
Zwei GmbH-Gesellschafter hatten ihre Geschäftsanteile im Nominalwert von je 23.800 DM für je 1 Mio. DM an ihren mittelbaren Mitgesellschafter (den Alleingesellschafter der an der GmbH mit einem Geschäftsanteil im Nominalwert von 2.400 DM beteiligten Gesellschaft) verkauft und - aufschiebend bedingt auf die Kaufpreiszahlung - auch abgetreten. Zur Besicherung der Kaufpreisansprüche trat die GmbH Wertpapiere aus ihrem Vermögen im Wert von 2 Mio. DM sicherungshalber an die Verkäufer ab.
Der fällige Kaufpreis wurde auch auf mehrfache Mahnung hin nicht gezahlt. Die Wertpapiere wurden daher verwertet und der Erlös an die Verkäufer ausgezahlt.
Die GmbH fordert nunmehr die Rückzahlung des Erlöses aus der Verwertung der Wertpapiere von den Verkäufern gemäß § 31 Abs. 1 GmbHG.
Der BGH hat in seinem Urteil klargestellt, dass:
- Sowohl die Verkäufer als auch der die Anteile erwerbende Mitgesellschafter für die gegen § 30 GmbHG verstoßenden Zahlungen nach § 31 GmbHG haften.
- Verkäufer und Erwerber gesamtschuldnerisch für die das Kapitalerhaltungsgebot verletzenden Zahlungen haften. Die GmbH kann daher von jedem Rückzahlung des ganzen Betrags verlangen und sich bis zur Grenze des Missbrauchs nach Belieben an einzelne Gesamtschuldner halten.
- Eine Verletzung des Kapitalerhaltungsgebots nicht erst bei Auszahlung des Erlöses an die Verkäufer vorliegt, sondern spätestens bei Verwertung der sicherungshalber abgetretenen Wertpapiere.
Die Klage wurde schließlich nur aufgrund Verjährung der geltend gemachten Ansprüche abgewiesen, wobei der BGH (konsequent) ausführt, dass die Verjährung mit der Verwertung der sicherungshalber abgetretenen Wertpapiere beginnt und nicht erst (oder neu) mit Auszahlung des Erlöses.
Hinweis
Die vorliegende Sachverhaltskonstellation ist typisch für die Praxis. Nicht nur bei fremdfinanzierten Unternehmenskäufen (sog. Leveraged-Buy-Outs), sondern auch im Rahmen von Cash-Pooling-Systemen stellen GmbHs aus ihrem Vermögen Sicherheiten jeglicher Art für Verbindlichkeiten ihrer (unmittelbar oder mittelbar beteiligten) Gesellschafter.
Der BGH lässt in einem obiter dictum keinen Zweifel daran, dass neben den bisherigen Gesellschaftern als Verkäufer bei einem Unternehmensverkauf auch der Käufer als zukünftiger Gesellschafter gemäß § 31 GmbHG haftet. Dies ist auch richtig, denn die Besicherung des Kaufpreisanspruchs durch die GmbH ist dem Fall vergleichbar, dass der Käufer den Erwerb über einen Dritten finanziert und nach Wirksamwerden der Abtretung die aufgenommenen Darlehen durch gegen das Kapitalerhaltungsgebot verstoßende Ausschüttungen der GmbH zurückführt. Man sollte daher gar nicht erst hoffen, dass der BGH eine Haftung nur für den zu entscheidenden Fall eines bereits mittelbar an der GmbH beteiligten Käufers annimmt, auch wenn er seinen Leitsatz hierauf beschränkt.
Darüber hinaus stellt der BGH klar, dass die GmbH (d.h. regelmäßig der Insolvenzverwalter) sich beliebig an den Verkäufer oder Erwerber der veräußerten Geschäftsanteile halten kann. Die GmbH ist nicht aufgrund interner, nur das Verhältnis zwischen Verkäufer und Erwerber betreffender Ausgleichs- oder Regressansprüche dazu verpflichtet, zunächst den Erwerber in Anspruch zu nehmen. Sie kann sich vielmehr an den Solventesten halten.
Gerade auch im Hinblick auf Cash-Pooling-Systeme sind die Ausführungen des BGH zum Verstoß der Stellung von Sicherheiten durch die GmbH für Verbindlichkeiten ihrer Gesellschafter interessant. Die wichtige Frage, ob bereits die Sicherheitenbestellung einen Verstoß gegen das Kapitalerhaltungsgebot darstellt, beantwortet der BGH jedoch leider nur zur Hälfte: Handelt es sich um schuldrechtliche Sicherheiten (Bürgschaften, Garantieerklärungen u.ä.) kommt es nicht auf den Zeitpunkt der Bestellung der Sicherheit, sondern den Zeitpunkt der Auszahlung aufgrund Inanspruchnahme der GmbH an - damit herrscht hierfür Klarheit. Für dingliche Sicherheiten (Sicherungsübereignung, Sicherungsabtretung u.ä.) legt sich der BGH hingegen nicht fest, sondern konstatiert lediglich, dass zumindest die Verwertung (und nicht erst die Auskehrung des Erlöses) der entscheidende Zeitpunkt ist.
Dennoch sollten die Geschäftsführer einer GmbH nie unbeschränkt Sicherheiten (egal ob schuldrechtlicher oder dinglicher Natur) für Verbindlichkeiten der Gesellschafter leisten. Die Sicherheitenbestellung sollte vielmehr stets dahingehend eingeschränkt werden, dass die GmbH für die besicherten Verbindlichkeiten ihrer Gesellschafter nur insoweit in Anspruch genommen werden kann, wie sie zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme dies aus freien Rücklagen und ohne Gefährdung ihrer eigenen Liquidität leisten kann. Anderenfalls drohen der GmbH und ihren Geschäftsführern die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen, denn auch ohne derartige Einschränkungen dürfte die GmbH gegen § 30 GmbHG verstoßende Zahlungen nicht leisten und hätte sich damit zu einer unmöglichen Leistung verpflichtet.
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil vom 18.06.2007, II ZR 86/06