1 Leitsatz
Soll das gemeinschaftliche Eigentum mit einer Grunddienstbarkeit belastet werden, kann sich die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer – vertreten durch den Verwalter – für die Wohnungseigentümer als Grundstückseigentümer erklären.
2 Normenkette
§§ 9a Abs. 2, 9b Abs. 1 Satz 1 WEG
3 Das Problem
Für die Eigentümer des Nachbargrundstücks soll eine Grunddienstbarkeit bestellt werden. Nach dieser sollen sie berechtigt sein, über den Innenhof des in Wohnungseigentum aufgeteilten Grundstücks einen Kamin zu führen bzw. zu installieren. Für das in Wohnungseigentum aufgeteilte Grundstück beantragt und bewilligt der Verwalter die Eintragung dieser Grunddienstbarkeit. Das AG meint, die Wohnungseigentümer als Miteigentümer müssten den Antrag stellen. Eine Bewilligung durch den Verwalter genüge nicht, da es an einer entsprechenden Vereinbarung fehle.
4 Die Entscheidung
Dies sieht das OLG anders! Der Verwalter sei als gesetzlicher Vertreter der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer aufgrund seiner unbeschränkten Vertretungsmacht berechtigt gewesen, den Antrag zu stellen und die Eintragung zu bewilligen. Der Verwalter vertrete die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gegenüber Dritten und Wohnungseigentümern aktiv und passiv. Seine Vertretungsmacht sei grundsätzlich unbeschränkt. Sie umfasse sowohl die außergerichtliche als auch die gerichtliche Vertretung. Lediglich für den Abschluss von Grundstückskauf- und Darlehensverträgen benötige der Verwalter nach § 9b Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 WEG im Außenverhältnis den Beschluss der Wohnungseigentümer. So ein Geschäft liege nicht vor. Denn unter den Begriff des Grundstückskaufvertrags würden zwar sämtliche entgeltliche Verpflichtungsgeschäfte fallen, aufgrund derer ein Grundstück, ein Miteigentumsanteil am Grundstück, eine Teilfläche an einem Grundstück, Wohnungs- oder Teileigentum selbst oder grundstücksgleiche Rechte erworben werden würden. Ob die Gemeinschaft der Wohnungseigentümerin Käuferin oder Verkäuferin sei, sei unerheblich. § 9b Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 WEG betreffe aber keine dinglichen Rechtsgeschäfte oder sonstige Abwicklungsmaßnahmen. Der Verwalter habe insoweit uneingeschränkte Vertretungsmacht für die Abgabe sämtlicher im Verkehr mit dem Grundbuchamt vorkommender Eintragungsbewilligungen.
Hinweis
- Im alten Recht, aber auch im aktuellen Recht ist zwischen dem Gemeinschaftsvermögen und dem gemeinschaftlichen Eigentum zu unterscheiden. Eigentümerin des Gemeinschaftsvermögens ist die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Ob der Verwalter die Gemeinschaft insoweit vertreten kann, bestimmt § 9b Abs. 1 Satz 1 WEG. Eigentümer des gemeinschaftlichen Eigentums sind die Wohnungseigentümer. Ob die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und damit der Verwalter die Wohnungseigentümer in Bezug auf dieses Vermögen vertreten kann, ist eine Frage der Vereinbarungen der Wohnungseigentümer und im Übrigen eine des Verständnisses des § 9a Abs. 2 WEG.
- Nach § 9a Abs. 2 WEG übt die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer die sich aus dem gemeinschaftlichen Eigentum ergebenden Rechte sowie solche Rechte der Wohnungseigentümer aus, die eine einheitliche Rechtsverfolgung erfordern. Fraglich ist, ob das Recht, das gemeinschaftliche Eigentum zu belasten, hierunter fällt. Die bislang ganz h. M. lehnt dieses ab. So sah es auch das AG. Soweit das OLG von dieser Sichtweise abweicht, hat es den Fall nicht vollständig durchdrungen. Es argumentiert nämlich mit der Vertretungsmacht des Verwalters für die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und beschreibt diese zutreffend. Es fragt aber nicht, in welcher Weise die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer berechtigt ist, über das gemeinschaftliche Eigentum zu verfügen, es beispielsweise zu veräußern oder – wie im Fall – zu belasten. Zwar mag es sein, dass § 9a Abs. 2 WEG zu einer Neubewertung auffordert. Hierzu leistet die Entscheidung in Ermangelung jeglichen Problembewusstseins aber keinen Beitrag. Dies sollte jeder Verwalter wissen und die Wohnungseigentümer bei einem Bedarf entsprechend informieren.
5 Entscheidung
OLG Nürnberg, Beschluss v. 12.7.2021, 15 W 2283/21