1 Leitsatz
Gegen eine Pflichtverletzung des Verwalters kann nur die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer vorgehen.
2 Normenkette
§§ 9a Abs. 1, 18 Abs. 1, 27 Abs. 1 WEG; § 31 BGB
3 Das Problem
Mit Schreiben vom 11.3.2021 lädt ein Verwalter zu einer Versammlung am 7.4.2021 als "Ein-Mann-Versammlung" mit dem Hinweis, mit Blick auf die COVID-19-Pandemie und die Kontaktbeschränkungen sei das Abhalten einer Versammlung unter persönlicher Teilnahme der Eigentümer zeitnah nicht zulässig und für viele Eigentümer auch nicht zumutbar. Wie im letzten Jahr solle die Versammlung daher über den Umweg einer "Ein-Mann-Versammlung" abgehalten werden. Die Eigentümer werden gebeten, den Verwalter zu bevollmächtigen. Es wird angekündigt, der Verwalter sei gezwungen, die Versammlung abzusagen, wenn sich ein Wohnungseigentümer gegen das Procedere ausspreche oder persönlich zur Versammlung erscheine. In der Versammlung wird zu TOP 7 als "Vorratsbeschluss" bestimmt, einen Gestattungsvertrag mit der X-GmbH zur Errichtung einer Lade-Infrastruktur im Keller/TG-Bereich zum Laden von Elektrofahrzeugen abzuschließen. Außerdem werden andere Beschlüsse gefasst. Diese anderen Beschlüsse erklärt das AG später wegen der Form der Ladung für nichtig.
Im Dezember 2021 beginnen die Baumaßnahmen. Am 14.12.2021 bemerkt Wohnungseigentümer A Durchbruchslöcher in den Hausflurwänden und in den Kellergängen. Die Baumaßnahmen sind mittlerweile in Bezug auf die Kabelinstallation und deren Anschluss abgeschlossen, die Leitungen müssen aber noch verkleidet werden. Wohnungseigentümer A geht jetzt gegen den Verwalter im Wege der einstweiligen Verfügung auf Unterlassung vor. Er ist der Auffassung, die baulichen Maßnahmen wichen von dem ab, was nach dem Vorratsbeschluss hätte erfolgen dürfen. Die eigenmächtige Umsetzung des Beschlusses stelle einen erheblichen Eingriff dar und könne Auswirkungen auf den Brandschutz haben. Der Verwalter und nicht die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer sei als Handlungsstörerin der richtige Antragsgegner, da der Verwalter eigenmächtig handele. Das AG weist den Antrag zurück. A hätte sich gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer wenden müssen. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde des A.
4 Die Entscheidung
Ohne Erfolg! Der Beschluss dürfte zwar nichtig sein. Vollziehe der Verwalter einen nichtigen Beschluss, begehe er außerdem eine Pflichtverletzung. Handele der Verwalter pflichtwidrig, könne ihn aber nur die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer im Wege der Leistungs- oder Unterlassungsklage in Anspruch nehmen und notfalls eine einstweilige Verfügung erwirken. Pflichtwidriges Verhalten des Verwalters verletze zwar den Individualanspruch jedes Wohnungseigentümers auf ordnungsmäßige Verwaltung aus § 18 Abs. 2 Nr. 1 WEG. Der Anspruch auf ordnungsmäßige Verwaltung richte sich aber ausschließlich gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Der Gemeinschaft werde analog § 31 BGB pflichtwidriges Verhalten des Verwalters zugerechnet, und der betroffene Wohnungseigentümer könne daher die Gemeinschaft im Wege der Unterlassungs- oder Leistungsklage in Anspruch nehmen und notfalls eine einstweilige Verfügung erwirken. Die Rechtsfigur des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter helfe nicht weiter. Durch einen Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter erhalte der Dritte zwar einen eigenständigen vertraglichen Anspruch gegen den Schuldner, wenn dieser Vertragspflichten verletze. Derartige Ansprüche beträfen aber ausschließlich die Sekundärebene, d. h., der Dritte könne den Schuldner allein auf Ersatz der infolge der Pflichtverletzung entstandenen Schäden in Anspruch nehmen.
A sei zwar in Bezug auf eine Störung des Sondereigentums prozessführungsbefugt. Dass der Verwalter das Sondereigentum des A beeinträchtigt habe, sei aber nicht erkennbar. Es sei daher auch nicht entscheidungserheblich, ob ein Anspruch aus § 1004 BGB nur gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gegeben wäre, solange der Verwalter "in amtlicher Eigenschaft" und nicht ohne inneren Zusammenhang mit seinen Obliegenheiten nur "bei Gelegenheit" handele.
5 Hinweis
Problemüberblick
Im Fall handelt der Verwalter nach Ansicht eines Wohnungseigentümers pflichtwidrig. Um ihn zu stoppen, geht er gegen ihn im Wege der einstweiligen Verfügung mit einem Antrag auf Unterlassung vor. Fraglich ist, ob das geht.
Kompetenzschutzklage
Fraglich ist, wer gegen wen eine Pflichtwidrigkeit gerichtlich geltend machen kann. Hier lagen bislang 2 amtsrichterliche Entscheidungen vor:
- Beim AG München hatte die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, nach § 9b Abs. 1 Satz 1 WEG vertreten durch den Verwalter, es dem Vorsitzenden des Verwaltungsbeirats im Wege der einstweiligen Verfügung untersagen lassen wollen, eine Versammlung abzuhalten. Diese Klage hatte Erfolg. Das AG hatte also kein "Bauchgrimmen", dass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gegen eines ihrer Organe vorgeht (AG München, Beschluss v. 25.2.2021, 1291 C 2946/21 EVWEG, ZMR 2021 S. 429).
- Beim AG Mainz ging man gegen den Verwalter vor. Dieses Gericht meinte aber, die Gemeinschaft der Wohnungseigen...