1 Leitsatz
Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ist befugt, Ansprüche wegen eines unrechtmäßigen Verwaltungshandelns gegen Wohnungseigentümer, Verwalter oder den Beiratsvorsitzenden durchzusetzen. Einem einzelnen Wohnungseigentümer ist dies verwehrt.
2 Normenkette
§ 24 Abs. 1 WEG; §§ 935 ff. ZPO
3 Das Problem
In einer Wohnungseigentumsanlage gibt es keinen Verwalter. Aus diesem Grund lädt einer von 4 Wohnungseigentümern die anderen Wohnungseigentümer zu einer Versammlung ein. Wohnungseigentümer K hält dies nicht für richtig. Im Wege der einstweiligen Verfügung beantragt er beim AG, den anderen 3 Wohnungseigentümern die Durchführung einer Eigentümerversammlung zu untersagen. Das AG erlässt diese Verfügung auch.
Dagegen legen die anderen Wohnungseigentümer einen Widerspruch ein. Im weiteren Verfahren erklären die Wohnungseigentümer den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt. Die Kosten erlegt das AG dem Wohnungseigentümer K auf. Eine "Passivlegitimation der Antragsgegner" habe nicht bestanden. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde.
4 Die Entscheidung
Ohne Erfolg! Das LG schließt sich der Sichtweise des AG an. Klage ein Wohnungseigentümer auf Durchführung oder Unterlassung einer Versammlung, müsse er die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer verklagen. Erhebe er gegen die anderen Wohnungseigentümer oder den Verwalter eine Klage, liefe das darauf hinaus, dass die Organe der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer bzw. sogar nur Organmitglieder (der Eigentümerversammlung) über interne Pflichten und Rechte stritten. Ein derartiger Innerorganstreit sei in gesellschaftsrechtlichen Streitigkeiten unzulässig. Dies sei in das Wohnungseigentumsrecht zu übertragen.
Ein Rechtsverlust sei damit nicht verbunden. Möglich bleibe eine Klage der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gegen das vermeintlich rechtswidrig handelnde Organ. Denn die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer könne einen Anspruch auf eine Verwaltungshandlung oder deren Unterlassen gegen ihre Organe geltend machen (Hinweis u. a. auf AG Ludwigshafen, Urteil v. 4.6.2021, 2p C 37/21, ZMR 2021 S. 525 und Elzer, ZMR 2021 S. 953 ff.). Da der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer Ersatzansprüche gegen ihre Organe zustünden, wenn diese Pflichtwidrigkeiten begingen und sie nach § 31 BGB für deren Pflichtverletzung hafte, wäre es ein nicht hinzunehmender Wertungswiderspruch, die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer – mangels Klagebefugnis – zu zwingen, Pflichtverletzungen ihrer Organe tatenlos hinzunehmen, um sodann Schadensersatzansprüche aus der Vertragsverletzung geltend zu machen oder für diese einstehen zu müssen (Hinweis u. a. auf Elzer, ZMR 2021, S. 953, 954).
Zutreffend sei, dass die Geltendmachung der Ansprüche bei verwalterlosen Gemeinschaften angesichts der gesetzlich angeordneten Gesamtvertretung (§ 9b Abs. 1 Satz 2 WEG) in der Praxis zu erheblichen Koordinierungsproblemen führe. Dies sei aber ein – in der WEG-Reform angelegtes – Problem, das sich in allen Vertretungsfällen stelle und nicht zu prozessualen Sonderstellungen der Wohnungseigentümer zwinge.
5 Hinweis
Problemüberblick
Im Fall handeln die anderen Wohnungseigentümer nach Ansicht eines Wohnungseigentümers pflichtwidrig. Um sie zu stoppen, geht er gegen die anderen Wohnungseigentümer im Wege der einstweiligen Verfügung mit dem Antrag auf Unterlassung vor. Auch in diesem Fall geht es nach Ansicht des klagenden Wohnungseigentümers um pflichtwidrig handelnde Personen. Fraglich ist, wer diese Pflichtwidrigkeit gerichtlich geltend machen kann.
Kompetenzschutzklage
Auch dieses LG stellt sich auf den Standpunkt, nur die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer könne gegen Pflichtwidrigkeiten einschreiten. Wie zuvor dargestellt, halte ich das nicht für richtig. Im Fall kommt hinzu, dass es m. E. der Sache nach gar nicht um eine Kompetenzschutzklage geht. Ein Wohnungseigentümer will nur nicht, dass sich die anderen Wohnungseigentümer versammeln und in der Versammlung wenigstens anfechtbare Beschlüsse fassen. Hierin sehe ich keine Kompetenzschutzklage und keinen Streit zwischen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und ihren Organen.
6 Entscheidung
LG Frankfurt a. M., Beschluss v. 24.2.2022, 2-13 T 85/21