Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Leitsatz
Herausgabeanspruch gemeinschaftlicher Gelder gegen einen Ex-Verwalter setzt Beschlussfassung voraus; nichtige Prozessführungsermächtigung
Normenkette
§ 21 Abs. 4 WEG, § 43 Abs. 1 Nr. 1 WEG
Kommentar
1. Einzelne Wohnungseigentümer können Ansprüche, die allen Eigentümern gemeinschaftlich zustehen, gegen einen Verwalter (auch insoweit nach Meinung des KG Berlin) nur dann gerichtlich geltend machen, wenn sie hierzu durch einen Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft wirksam ermächtigt worden sind (BGHZ 106, 222). Diese Grundsätze können auch auf Ansprüche gegen einen ausgeschiedenen Verwalter aufgrund der besonderen Interessenlage der Eigentümergemeinschaft angewendet werden (wird in den Gründen näher ausgeführt).
2. Wenn in der Rechtsbeschwerdeinstanz vorgetragen wird, dass nach Erlass der Entscheidung des LG ein Beschluss gefasst wurde ". . . Ansprüche der WEG gegen Frau X (die frühere Verwalterin) in Höhe von DM . . . zuzüglich Zinsen" geltend zu machen, so ist dieser erwähnte Mehrheitsbeschluss nach seinem protokollierten Inhalt mangels ausreichender Bestimmtheit nach Meinung des KG rechtlich unwirksam. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Beschluss über seinen Wortlaut hinaus dahin auszulegen ist, dass bei Ermächtigung nur eines Eigentümers als Antragsteller auch die übrigen Antragsteller, die die gleichen Interessen vertreten, ermächtigt sein sollten, den Zahlungsantrag weiter gegen die Antragsgegnerin gerichtlich geltend zu machen. Ein wirksamer Ermächtigungsbeschluss liegt nur dann vor, wenn darin der geltend zu machende Anspruch mit dem zugrundeliegenden Sachverhalt und der daraus abzuleitenden Rechtsfolge nach Grund und Höhe konkret bezeichnet ist, wobei die pauschale Bezugnahme auf anhängige Verfahren regelmäßig nicht genügt. Bei der Abstimmung muss unmissverständlich klar sein, welchen Verfahrensgegenstand die Ermächtigung betrifft und in welchem Umfang das Schicksal von Gemeinschaftsansprüchen endgültig in die Hand einzelner Eigentümer gelegt wird (auch aufgrund der umfassenden Erstreckung der Rechtskraftwirkung). Im vorliegenden Fall fehlte es an der entsprechenden Klarheit dieses Beschlusses, sodass er in besonders grober Weise fehlerhaft und deshalb nichtig sei.
Link zur Entscheidung
( KG Berlin, Beschluss vom 20.12.1989, 24 W 2779/89)
zu Gruppe 3: Begründung, Erwerb und Veräußerung; Umwandlung
Anmerkung:
1. Die neuerliche Rechtsprechung, dass auch in einem solchen Fall die Klagebefugnis eines einzelnen Eigentümers fehlt, wenn grundsätzlich gemeinschaftliche Ansprüche auch gegen Dritte (hier: den Ex-Verwalter) zur Diskussion stehen mit der Folge einer Antragsunzulässigkeit bei Vorgehen nur eines einzelnen Eigentümers, wurde bereits mehrfach kritisiert (i. ü. auch von Weitnauer, Vortrag Fischen, Oktober 1989). Die im Gesellschaftsrecht unbestritten anerkannte und diesseits stets angesprochene "actio pro socio" könnte ohne weiteres auch auf das Wohnungseigentumsrecht übertragen werden und Anträge einzelner Eigentümer mit Leistung an die Gemeinschaft ( § 432 BGB) als zulässig ansehen [a.A. jedoch zwischenzeitlich die h.R.M.].
2. Unverständlich ist für mich jedoch die vom Senat des KG Berlin entschiedene Rechtsfolge zum Prozessstandschaftseigentümerermächtigungsbeschluss, d. h. zu dessen festgestellter Nichtigkeit. Man hätte diese erst in der Rechtsbeschwerdeinstanz vorgetragene Tatsache der nachträglichen Beschlussfassung vielleicht zu Recht zurückweisen können, um zu gleichem Entscheidungsergebnis zu gelangen. Sicher kann man auch darüber streiten, ob der gefasste Beschluss ausreichend bestimmt war, wobei hier jedoch zu sagen ist, dass wohl jeder Eigentümer bei der Beschlussfassung über diesen Antrag wusste, was gemeint war und worum es gehe. Hier überzieht der Senat m. E. die Anforderungen an Bestimmtheitsgrundsätze von Beschlussanträgen. Abgesehen davon sind zu unbestimmt gehaltene Anträge bzw. Beschlüsse im Regelfall nicht nichtig, sondern allenfalls mit Erfolgsaussicht anfechtbar. Eine Nichtigkeit hätte hier niemals ausgesprochen werden dürfen!
Nichtig kann ein Beschluss insbesondere auch nicht deshalb sein, wenn bzw. weil er erst ergangen ist, nachdem beide Tatsacheninstanzen den Zahlungsantrag zurückgewiesen hatten. Die weitere Behauptung in der Entscheidungsbegründung, dass das mehrheitlich solchermaßen beschlossene Vorgehen praktisch auf eine "Schädigung der Gemeinschaftsbelange angelegt sei", ist gedanklich meinerseits nach Lektüre der Entscheidung nicht nachvollziehbar. Sollte hier vielleicht ein einmal gerichtlich eingesetzter Verwalter (dies war die Antragsgegnerin dieses Verfahrens) unbegründetermaßen geschützt werden, wo es doch um die Herausgabe gemeinschaftlicher Gelder ging, über die offensichtlich bereits seit Jahren prozessiert wird/wurde?