1 Leitsatz
Die Wohnungseigentümer haben ohne eine Öffnungsklausel keine Beschlusskompetenz, Vereinbarungen zu ändern.
2 Normenkette
§§ 5, 7, 10 WEG
3 Das Problem
Die Wohnungseigentümer beschließen im Jahr 2022, die Vertreterklausel der Gemeinschaftsordnung zu ändern. Vertreter soll jetzt nicht nur ein Wohnungseigentümer sein können. Ferner beschließen sie der Sache nach, 2 Teil- in Wohnungseigentumsrechte umzuwandeln. Die Verwaltung beantragt, die Änderungen einzutragen. Das Grundbuchamt weist auf die Gemeinschaftsordnung hin. Dort heißt es unter der Überschrift bei der Ziffer 21 "Änderung der Gemeinschaftsordnung": "Während der Laufzeit der Hypotheken oder Grundschulden, die auf dem gesamten Grundstück bzw. einzelnen Sondereigentumsrechten lasten, ist zu einer Änderung der Gemeinschaftsordnung, die sonst mit 3/4-Mehrheit aller Miteigentümer beschlossen werden kann, auch die Zustimmung der Hypotheken- und Grundschuldgläubiger erforderlich. Diese darf jedoch nur aus wichtigen, die berechtigten Interessen der betreffenden Gläubiger gefährdenden Gründen versagt werden." An dieser Zustimmung fehle es bislang. Dagegen wendet sich die Beschwerde.
4 Die Entscheidung
Mit Erfolg! Die Beschwerde führt allerdings zu einem Pyrrhussieg. Der Erlass einer Zwischenverfügung komme nur in Betracht, wenn ein bestehendes Eintragungshindernis rückwirkend auf den Zeitpunkt der Antragstellung bei dem Grundbuchamt behoben werden könne. Daran fehle es. Denn es gebe in der Gemeinschaftsordnung keine Öffnungsklausel!
5 Hinweis
Problemüberblick
Im Fall beschließen die Wohnungseigentümer, 2 Vereinbarungen zu ändern. Dies ist nur möglich, wenn das Gesetz, beispielsweise § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG, oder eine Vereinbarung ("Öffnungsklausel") den Wohnungseigentümern für eine Änderung eine Beschlusskompetenz einräumt. Fehlt es an einer Beschlusskompetenz, ist ein Beschluss, der eine Vereinbarung dauerhaft ändern will, nichtig.
Öffnungsklausel
Im Fall kann das KG Berlin keine Öffnungsklausel erkennen. Ob es so liegt, ist eine Frage der Auslegung der Gemeinschaftsordnung. Für eine Auslegung kann zum einen die Überschrift "Änderung der Gemeinschaftsordnung" dienen, zum anderen der Wortlaut der Vereinbarung, dass eine Änderung, "die sonst mit 3/4-Mehrheit aller Miteigentümer beschlossen werden kann", einer Zustimmung bedarf. Danach wäre es vertretbar, eine Öffnungsklausel zu bejahen. Es lässt sich aber auch vertreten, dass das Wort "sonst" auf eine andere Vereinbarung abhebt (die gab es, beispielsweise unter der Ziffer 2, wo es heißt "Der Bestimmungszweck des Gebäudes und der einzelnen Sondereigentumsräume kann nur mit einer Mehrheit von 3/4 aller stimmberechtigten Miteigentümer geändert werden"). Eine solche Auslegung bietet der KG-Beschluss allerdings nicht. Es heißt dort wörtlich (nur): "Weder in der Teilungserklärung noch in der dort in Bezug genommenen Gemeinschaftsordnung ist eine Öffnungsklausel enthalten". Das ist keine Auslegung. Außerdem kann sich in einer Teilungserklärung keine Öffnungsklausel finden.
Was ist für die Verwaltungen besonders wichtig?
Gibt es in einer Gemeinschaftsordnung eine oder mehrere Öffnungsklauseln, sind die Beschlüsse, die auf einer solchen Öffnungsklausel beruhen und vor dem 1.12.2020 gefasst worden sind ("Alt-Beschlüsse"), nach herrschender Meinung vom Verwalter aus der Masse sämtlicher in einer Wohnungseigentumsanlage von den Wohnungseigentümern gefassten Beschlüsse zu identifizieren. Dazu sind primär die Beschluss-Sammlung und die Sammlung sämtlicher Niederschriften zu überprüfen. Nach der Identifizierung und Überprüfung könnte die Verwaltung nach §§ 7 Abs. 2, 9b Abs. 1 Satz 1 WEG vorgehen und beantragen, die Beschlüsse eintragen zu lassen. Sie sollte es aber nicht tun. Einerseits können die Wohnungseigentümer an dem Beschluss kein Interesse mehr haben. Die Verwaltungen sollten daher die Wohnungseigentümer informieren, dass es Altbeschlüsse gibt, die gegenüber Sondernachfolgern ab dem 1.1.2026 nur wirken, wenn sie bis zum 31.12.2025 zum Inhalt des Sondereigentums gemacht werden (im Einzelnen Elzer, MietRB 2022, 372 ff.).
6 Entscheidung
KG Berlin, Beschluss v. 1.2.2024, 1 W 375/23