Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Normenkette
§ 1 Abs. 3 WEG, § 5 Abs. 4 WEG, § 8 WEG, § 10 Abs. 1 S. 2 WEG, § 13 Abs. 1 WEG, § 15 Abs. 1 WEG
Kommentar
Im Erdgeschoss gelegene Teileigentumsräume hatte der Teileigentümer als Restaurant vermietet. Einige andere Miteigentümer forderten die Unterlassung dieser Nutzung unter Hinweis auf den formellen Beschrieb der Räumlichkeiten in der Teilungserklärung als "Ladenräume" und erhielten in 1. und 2. Instanz mit ihrem Unterlassungsantrag Recht. Das BayObLG hat die Vorentscheidungen aufgehoben und die Restaurantnutzung als zulässig erklärt.
1. Im vorliegenden Fall bestand die Besonderheit, dass die Teilungserklärung und die Gemeinschaftsordnung hinsichtlich des im Streit stehenden Teileigentums widersprüchliche Aussagen enthielten, sodass es hinsichtlich einer möglichen Gebrauchsvereinbarung nach § 15 Abs. 1 WEG einer durch den Senat vorzunehmenden Auslegung bedurfte, zu entscheiden, ob Teilungserklärung und Gemeinschaftsordnung gleichberechtigt seien oder ob einem dieser Regelungswerke eine überwiegende Bedeutung zukomme. Im formellen Teil der Teilungserklärungen wurde unter Bezug auf den Aufteilungsplan von "Läden"und "Ladenräumen"gesprochen, in der Gemeinschaftsordnung allerdings vereinbart, dass der Eigentümer berechtigt sei, die Erdgeschossräume "für gewerbliche Zwecke beliebig nutzen und auch umgestalten zu dürfen"(im Rahmen des öffentlich-rechtlich Zulässigen). Der Senat erläuterte, dass die Teilungserklärung nach § 8 Abs. 1 WEG - obgleich das Gesetz die Begriffe Teilungserklärung und Gemeinschaftsordnung nicht kenne - auf die sachenrechtliche Begründung von Sondereigentum gerichtet sei und vornehmlich die Festlegungen des Umfangs der im Sondereigentum stehenden Räume und ihre Abgrenzung zum gemeinschaftlichen Eigentum enthalte ("Teilungserklärung im engeren Sinne"). Die Gemeinschaftsordnung bezeichne wiederum allgemein die Gesamtheit der schuldrechtlichen Vereinbarungen, die das Verhältnis der Wohnungs- und Teileigentümer untereinander nach § 10 Abs. 1 Satz 2 WEG regele und die zum Inhalt des Sondereigentums gemacht werden könnten ( § 5 Abs. 4 WEG) und die - als Inhalt des Sondereigentums im Grundbuch eingetragen - nach § 10 Abs. 2 WEG nicht nur die Vertragspartner, sondern auch deren Sonderrechtsnachfolger binden würden.
2. Die sachenrechtliche Teilungserklärung kann mit den schuldrechtlichen Regelungen des Verhältnisses der Eigentümer untereinander in einer Urkunde verbunden werden, die insgesamt ebenfalls als Teilungserklärung bezeichnet werden kann ("Teilungserklärung im weiteren Sinne").
3. Wenn - wie im vorliegenden Fall - zwischen sachenrechtlicher Teilungserklärung und schuldrechtlicher Gemeinschaftsordnung unterschieden wurde, spricht eine allgemeine Vermutung dafür, dass Gebrauchsregelungen in erster Linie in der Gemeinschaftsordnung enthalten sind und Funktionsbezeichnungen für Räume des Teileigentums in der sachenrechtlichen Teilungserklärung (in engerem Sinne) eher der Abgrenzung zum Wohnungseigentum als einer Festlegung des Verwendungszweckes dienen. Es war also hier auf die Vereinbarung in der Gemeinschaftsordnung abzustellen, dass die Räumlichkeiten im EG nicht nur als Laden (eingeschränkte Nutzungsmöglichkeit nach h. R. M.), sondern in jeder gewerblichen Weise genutzt werden durften, soweit dies auch öffentlich-rechtlich zulässig sei. Die Nutzung in "jeder beliebigen Weise" dürfe in richtiger Auslegung auch nicht nur als Beschränkung innerhalb der Nutzung als Ladenräume aufgefaßt werden, sondern als Erweiterung der Nutzungsmöglichkeiten, da andernfalls diese Vereinbarung in der Gemeinschaftsordnung inhaltlich nichtssagend und überflüssig wäre. Auch das "beliebige Umgestalten" deute in diese Auslegungsrichtung.
Kraft Vereinbarung sollte deshalb dem betreffenden Eigentümer die größtmögliche Freiheit der Benutzung und Umgestaltung von Anfang an eingeräumt sein.
I. ü. hätte angesichts des umfassenden Nutzungsrechts nach § 13 Abs. 1 WEG eine einschränkende Gebrauchsregelung klar und eindeutig zum Ausdruck kommen müssen.
Link zur Entscheidung
( BayObLG, Beschluss vom 07.07.1988, BReg 2 Z 7/88)
zu Gruppe 5: Rechte und Pflichten der Miteigentümer
Anmerkung:
Zwischen sachenrechtlichem, formellem Beschrieb in einer Teilungserklärung und schuldrechtlichen Vereinbarungen in einer Gemeinschaftsordnung (die Gesamtregelung kann als Teilungserklärung im "weiteren" Sinne bezeichnet werden), ist also gerade im Hinblick auf Nutzungsbefugnisse und Gebrauchsregelungen zu unterscheiden. In Gebrauchsfragen sind die Vereinbarungen in der Gemeinschaftsordnung, also dem schuldrechtlichen Teil der Teilungserklärung, primär und vorrangig maßgebend. Solche möglichen Widersprüche - wie im vorliegenden Fall - zwischen Teilungserklärung im engeren Sinne und Gemeinschaftsordnung sollten allerdings bei Gestaltung dieser Urkunde vermieden werden, um mögliche Auslegungsstreitigkeiten - wie hier - zu vermeiden.
Auch im sachenrechtlichen Teil einer Teilungserklärung sollten Räumlichkeiten des Teileigentums im Sinne der ges...