1 Leitsatz
Eine Vollmacht zur Änderung der Gemeinschaftsordnung im Zuge der Durchführung des Bauvorhabens berechtigt den Bauträger nach Baufertigstellung und Bezug nicht mehr zur Begründung von Sondernutzungsrechten. Ist die Gemeinschaftsordnung aufgrund dieser Vollmacht zu Unrecht geändert worden, so besteht ein Anspruch auf Abgabe einer Willenserklärung zur Aufhebung dieser Änderung.
2 Normenkette
WEG §§ 10 Abs. 2 Satz 2, 13 Abs. 2
Sachverhalt
Nach Fertigstellung einer Wohnungseigentumsanlage macht Bauträger B von einer Vollmacht Gebrauch und räumt dem Eigentümer eines Teileigentums an einem Entlüftungsschacht ein Sondernutzungsrecht ein. Wohnungseigentümer K meint, B's Vollmacht habe dieses Sondernutzungsrecht nicht gedeckt und klagt auf dessen Zustimmung zur Aufhebung der Sondernutzungsrechtsvereinbarung. Mit Erfolg!
Entscheidung
Die Vollmacht des B habe sich auf die Vornahme von Maßnahmen im Zuge der Durchführung des Bauvorhabens bezogen. Als B den Entlüftungsschacht habe anbringen lassen, sei das Bauvorhaben aber bereits abgeschlossen gewesen.
Hinweis
Der Fall ist für einen Verwalter nur am Rande von Bedeutung. Jeder Verwalter sollte aber wissen, dass sich die Bauträger in aller Regel von den Bestellern im Bauträgervertrag eine Vollmacht einräumen lassen, noch auf die Teilungserklärung oder/und die Gemeinschaftsordnung einwirken und ohne Beteiligung der Erwerber notwendige Änderungen veranlassen oder Vereinbarungen im Namen aller Wohnungseigentümer treffen zu können.
Um eine solche Vollmacht geht es im Fall. Der Bauträger setzte sie ein, um auf Wunsch des Erwerbers eines Teileigentums ein Sondernutzungsrecht an einem Entlüftungsschacht einzuräumen, mithin im Namen aller Wohnungseigentümer die Vereinbarung zu treffen, dass als Inhalt des Sondernutzungsrechts an einem Teileigentum bestimmt ist, dass dem jeweiligen Eigentümer des Teileigentums ein Alleingebrauchsrecht am Entlüftungsschacht zusteht.
Ob das Gericht insoweit den Kern des Problems trifft, kann offenbleiben. Jedenfalls muss die Vollmacht zur Begründung von Sondernutzungsrechten "bestimmt" sein. Dies meint, dass sich aus der Vollmacht ergeben muss, welche Flächen und/oder Räume einem Sondernutzungsrecht unterliegen können. Es ist anzunehmen, dass es bereits an dieser Klärung gefehlt haben dürfte. Dennoch scheint das Sondernutzungsrecht in die Grundakten gekommen oder gar beim Teileigentum auf dem Teileigentumsgrundbuchblatt verbucht worden zu sein. Das war natürlich nicht in Ordnung. Insoweit ist es daher richtig, dass der Teileigentümer der Aufhebung des Sondernutzungsrechts zustimmen muss.
Dies kann man allerdings nicht beschließen. Man kann insoweit nach h. M. auch nichts vergemeinschaften. Vielmehr ist es so, dass ein Wohnungseigentümer, am besten einer mit einer Rechtsschutzversicherung, die den Fall abdeckt, den am Sondernutzungsrecht Berechtigten nach § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG verklagen muss. Ob er auch die anderen Wohnungseigentümer verklagen muss, ist die Frage danach, ob diese der Aufhebung bereits vor Klageerhebung unwiderruflich zugestimmt haben. Der Verwalter sollte sich also einprägen, dass es in diesem Bereich keine Beschlusskompetenz gibt und es an den Wohnungseigentümern ist, individuell Klage zu erheben. Hiervon kann der Verwalter den Wohnungseigentümern berichten. Es ist aber auch möglich, diesen Bericht einem Rechtsanwalt zu übergeben.
3 Link zur Entscheidung
LG Aurich, Beschluss v. 14.1.2019, 1 S 88/18