Alexander C. Blankenstein
Leitsatz
Die Berufung in einer Wohnungseigentumssache kann auch dann nur bei dem sachlich zuständigen Landgericht fristwahrend eingelegt werden, wenn in dem betreffenden Oberlandesgerichtsbezirk aufgrund einer Rechtsverordnung nach § 72 Abs. 2 Sätze 2 und 3 GVG nicht das für den Sitz des Oberlandesgerichts zuständige Landgericht, sondern ein anderes Landgericht für diese Berufungen zuständig ist. Die Versäumung der Berufungsfrist ist nicht unverschuldet, wenn sie darauf beruht, dass das Vorhandensein einer abweichenden Zuständigkeitsregelung und ihr Inhalt nicht geprüft wurden.
Fakten:
Das Amtsgericht hatte einen Wohnungseigentümer durch am 25. Mai 2009 zugestelltes Urteil verurteilt, an die Eigentümergemeinschaft rückständiges Hausgeld zu zahlen. Gegen dieses Urteil hat der Anwalt des Eigentümers zunächst mit einem am 25. Juni 2009 eingegangenen Schriftsatz bei dem unzuständigen Landgericht Oldenburg und sodann mit einem am 10. Juli 2009 eingegangenen Schriftsatz bei dem zuständigen Landgericht Aurich Berufung eingelegt. Die zweite Berufung wurde mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist verbunden. Der Anwalt hätte von der abweichenden Regelung der Berufungszuständigkeit in den Eigentumssachen für den Oberlandesgerichtsbezirk Oldenburg nichts wissen müssen.
Dies allerdings konnte letztlich das Fristversäumnis nicht entschuldigen. Der Anwalt hatte die Berufung am Abend des letzten Tags der Berufungsfrist bei dem unzuständigen Landgericht Oldenburg eingereicht. Insoweit war eine fristgerechte Weiterleitung an das zuständige Landgericht Aurich im normalen Geschäftsgang nicht mehr möglich. Das aber wäre Voraussetzung für eine Wahrung der Berufungsfrist gewesen. Zuständiges Berufungsgericht in Eigentumssachen ist das für den Sitz des Oberlandesgerichts zuständige Landgericht, es sei denn, dass aufgrund der Ermächtigung in § 72 Abs. 2 Sätze 2 und 3 GVG eine abweichende Zuständigkeitsregelung getroffen worden ist. Das ist in Niedersachsen für den Bezirk des Oberlandesgerichts Oldenburg der Fall. Hier ist nicht das Landgericht Oldenburg, sondern das Landgericht Aurich für Berufungen gegen Urteile der Amtsgerichte in Eigentumssachen zuständig. Dies hätte durch den Rechtsanwalt des Eigentümers auch unschwer festgestellt werden können. Dieses Verschulden des Rechtsanwalts muss sich der Eigentümer grundsätzlich zurechnen lassen, sodass auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden konnte.
Link zur Entscheidung
BGH, Beschluss vom 12.4.2010 – V ZB 224/09
Fazit:
Ganz allgemein stellen sich die Rechtswegzuständigkeiten in Eigentumssachen nach Inkrafttreten des WEG-Änderungsgesetzes am 1. Juli 2007 als besonderer Stolperstein dar. Grundsätzlich ist zunächst zu beachten, dass die Einlegung der Berufung bei einem unzuständigen Gericht nur dann folgenlos bleibt, wenn dieses unzuständige Berufungsgericht die Berufung noch innerhalb der einmonatigen Berufungsfrist an das zuständige Berufungsgericht weiterleitet. In den WEG-Sachen des § 43 Nr. 1 bis Nr. 4 und Nr. 6 WEG ist seit 1. Juli 2007 für jeden Oberlandesgerichtsbezirk jeweils nur ein zentrales Berufungsgericht zuständig. Bereits dies scheint vereinzelt immer noch unbekannt. In der Regel ist das für den Sitz des Oberlandesgerichts zuständige Landgericht gemeinsames Berufungs- und Beschwerdegericht für den Bezirk des Oberlandesgerichts, in dem das Amtsgericht seinen Sitz hat. Hiervon jedoch bestehen Ausnahmen aufgrund der in § 72 Abs. 2 Sätze 2 und 3 GVG enthaltenen Ermächtigung der Landesregierungen für eine abweichende Zuständigkeitsregelung. Und hiervon haben einige Bundesländer Gebrauch gemacht.