Leitsatz
Die Ehe der Parteien wurde am 3.4.2007 geschieden. Der Ehemann verlangte von der Ehefrau Gesamtschuldnerausgleich nach § 426 Abs. 2 BGB wegen der von ihm für das gemeinsame Haus der Parteien getragenen monatlichen Zins- und Tilgungsleistungen. Die Parteien waren Miteigentümer zu je 1/2. Auf zwei gemeinsam aufgenommene Darlehen zahlte der Ehemann seit der Trennung der Parteien 509,25 EUR monatlich. Die Hälfte dieses Betrages, somit monatlich 254,25 EUR, machte er gegenüber der Ehefrau für den Zeitraum von Juni 2005 bis Mai 2007 geltend.
Sachverhalt
Geschiedene Eheleute stritten sich um den Gesamtschuldnerausgleich nach § 426 Abs. 2 BGB wegen der von dem Ehemann für das gemeinsame Haus der Parteien getragenen monatlichen Belastungen aus zwei Krediten. Der Ehemann zahlte seit der Trennung der Parteien monatlich 509,25 EUR. Die Hälfte dieses Betrages, monatlich 254,25 EUR, machte er für den Zeitraum von Juni 2005 bis Mai 2007 gegenüber der Ehefrau geltend.
Das Haus wurde seit der Trennung der Parteien im Jahre 2004 von der Ehefrau alleine genutzt, die in einem Verfahren vor dem FamG Trennungsunterhalt seit Juni 2004 verlangt hatte. Für den streitbefangenen Zeitraum, für den der Ehemann Gesamtschuldnerausgleich verlangte, hatte sie monatlich 311,00 EUR gefordert. Zu einer gerichtlichen Entscheidung hierüber kam es nicht. Die Ehefrau nahm die Klage zurück, nachdem über die Frage ihrer Erwerbsfähigkeit Beweis erhoben worden war.
Sie vertrat die Auffassung, der Ehemann könne Gesamtschuldnerausgleich mit Rücksicht darauf nicht verlangen, dass er Unterhalt nicht gezahlt habe. Sie habe die Unterhaltsklage nur deshalb zurückgenommen, weil sich angesichts eines ihr nach Ansicht des Familienrichters zuzurechnenden fiktiven Einkommens aus vollschichtiger Tätigkeit von 1.000,00 EUR wegen der vom Kläger getragenen Hauslasten und wegen der Berücksichtigung eines Wohnwertes bei ihr ein Unterhaltsanspruch rechnerisch nicht mehr ergeben habe. Die gesamtschuldnerischen Verbindlichkeiten und der Nutzungsvorteil seien damit unterhaltsrechtlich erfasst.
Das LG hat den Prozesskostenhilfeantrag der Ehefrau mangels Erfolgsaussicht abgelehnt. Es sei keine "anderweitige" Bestimmung i.S.d. § 426 Abs. 1 S. 1 BGB gegeben.
Gegen den ablehnenden PKH-Beschluss wandte sich die Ehefrau mit ihrer sofortigen Beschwerde.
Ihr Rechtsmittel hatte Erfolg.
Entscheidung
Das OLG kam zu dem Ergebnis, ein Gesamtschuldnerausgleich gemäß § 426 Abs. 2 BGB komme bei der vorliegenden Fallkonstellation nicht in Betracht.
Nach § 426 Abs. 1 S. 1 BGB sei der Gesamtschuldnerausgleich ausgeschlossen, wenn die Gesamtschuldner eine anderweitige Bestimmung getroffen hätten. Eine ausdrückliche oder auch nur stillschweigende Abrede der Parteien dahin, dass der Gesamtschuldnerausgleich durch eine die Lastentragung des Ehemannes berücksichtigende Unterhaltsregelung abschließend überlagert werde, lasse sich im vorliegenden Fall nicht feststellen. Beide hätte von Anfang an deutlich gemacht, dass sie den jeweils anderen in Anspruch nehmen wollten.
Eine anderweitige Bestimmung i.S.d. § 426 Abs. 1 S. 1 BGB könne sich aber auch ohne Vereinbarung, nämlich aus "dem Inhalt und Zweck des Rechtsverhältnisses oder aus der Natur der Sache, mithin aus der besonderen Gestaltung des tatsächlichen Geschehens" ergeben (BGH FamRZ 2002, 1024, 1025).
Sei die Leistungsfähigkeit des Verpflichteten durch den Schuldabtrag gemindert, führe dies zu einer Kürzung oder zu einem Wegfall des Unterhaltsanspruchs des Berechtigten. Soweit und solange der Abtrag - ggf. zusammen mit der Zurechnung des Wohnvorteils aufseiten des Berechtigten - zur Kürzung oder zum Wegfall des Unterhaltsanspruchs führe, liege es in der Natur der Sache, dass ein Ausgleich i.S.d. § 426 BGB nicht mehr verlangt werden könne. In diesem Fall beteilige sich nämlich der Unterhaltsberechtigte am Abtrag der Schuld bereits dadurch, dass sich sein Unterhaltsanspruch kürze bzw. vollständig wegfalle.
Es ergäbe sich damit zwar die Situation, dass die Unterhaltsfrage im Prozess um den Gesamtschuldnerausgleich, also in dem Prozess vor dem Zivilgericht, geprüft werden müsse. Dies sei Folge der derzeitigen Rechtslage, deren Reformierung zu Recht geplant sei. Der vor dem Zivilgericht auf den Gesamtschuldnerausgleich in Anspruch genommene Ehegatte könne aber ohnehin mit Unterhaltsansprüchen aufrechnen.
Würden im vorliegenden Fall die Hauslasten als eheprägende Verbindlichkeiten aufseiten des Ehemannes in die Unterhaltsberechnung eingestellt und - damit korrespondierend - der Wohnwert des gemeinsamen Hauses aufseiten der Ehefrau, stehe dieser weder ein nennenswerter Anspruch auf Trennungsunterhalt noch auf nachehelichen Unterhalt zu. Dabei wirke sich nach der im PKH-Prüfungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage die Lastentragung aufseiten des Ehemannes auf den Unterhaltsanspruch der Beklagten in voller Höhe aus. Sie beteilige sich durch die Kürzung ihres Unterhaltsanspruchs an der Lastentragung, so dass ein Gesamtschuldnerau...