Leitsatz

Der Geschäftsführer einer GmbH ist wegen Vorenthaltens von Arbeitnehmeranteilen zur Sozialversicherung auch dann haftungsrechtlich verantwortlich, wenn die GmbH zwar zum Fälligkeitszeitpunkt nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, er es jedoch pflichtwidrig unterlassen hat, die Erfüllung dieser Verpflichtung durch Bildung von Rücklagen, notfalls auch durch Kürzung der Nettolohnzahlung sicherzustellen.

 

Sachverhalt

Der Beklagte war im Jahr 2003 Geschäftsführer einer GmbH, über deren Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist. Die spätere Insolvenzschuldnerin zahlte dem bei ihr tätigen Arbeitnehmer B für Februar 2003 den Nettolohn, blieb jedoch den Arbeitnehmeranteil zur Sozialversicherung in Höhe von 609,49 EUR schuldig. Die klagende Betriebskrankenkasse verlangt von dem Beklagten Ersatz dieses Betrags. Das OLG hatte, anders als das LG, die Klage abgewiesen, weil nicht habe nachgewiesen werden können, dass dem Beklagten die Beitragsabführung möglich gewesen wäre. Die Revision der Krankenkasse war erfolgreich.

 

Entscheidung

Grundsätzlich haftet[1] der Geschäftsführer einer GmbH dann nicht, wenn ihm die Abführung der Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung zum Fälligkeitszeitpunkt mangels verfügbarer Mittel nicht möglich war. Die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der Möglichkeit normgemäßen Verhaltens des Geschäftsführers liegt hier allein bei der Sozialkasse[2].

Der Geschäftsführer hat andererseits als Arbeitgeber i.S. des § 266a StGB dafür zu sorgen, dass ihm die zur ordnungsgemäßen Abführung der auf den geschuldeten Lohn entfallenden Arbeitnehmeranteile notwendigen Mittel bei Fälligkeit[3] zur Verfügung stehen. Drängen sich wegen der konkreten finanziellen Situation der Gesellschaft deutliche Bedenken auf, dass zum Fälligkeitszeitpunkt ausreichende Zahlungsmittel vorhanden sein werden, muss der Geschäftsführer durch Bildung von Rücklagen vorsorgen, dass die Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung fristgerecht an die zuständige Einzugsstelle entrichtet werden können. Notfalls darf er die Nettolöhne nur entsprechend gekürzt auszahlen[4].

Gegen diese Pflicht hat der Beklagte verstoßen. Er hat die Nettolöhne für Februar 2003 nur wenige Tage vor Fälligkeit der Arbeitnehmeranteile ungekürzt ausgezahlt, obwohl ihm klar war, dass er die Beitragsschuld bei Fälligkeit nicht würde erfüllen können. Damit haftet er in vollem Umfang für dieses Versäumnis.

 

Praxishinweis

Die vom BGH erneut hervorgehobenen zivilrechtlichen Haftungsgrundsätze gelten entsprechend für die steuerliche Haftung eines GmbH-Geschäftsführers nach den §§ 34, 69 AO. Auch im Zusammenhang mit dem Lohnsteuerabzug muss der Verantwortliche also ausreichende Rücklagen bilden oder die Nettolohnzahlung entsprechend kürzen[5]. Unterlässt er dies, kann er insoweit ebenso als Haftungsschuldner in Anspruch genommen werden.

 

Link zur Entscheidung

BGH-Urteil vom 25.9.2006, II ZR 108/05

[2] St. Rspr.; vgl. nur BGH-Urteil vom 18.4.2005, II ZR 61/03, INF 2005, S. 490
[3] Vgl. hierzu § 23 SGB IV
[5] Vgl. nur Loose, in: Tipke/Kruse, Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, Köln, § 69 Rz. 40ff. (Stand: Oktober 2004)

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