Dr. Stephan Pötters, Dr. Nikolaos Gazeas
Bisher wurden "Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse" definiert als Tatsachen, die im Zusammenhang mit einem Geschäftsbetrieb stehen, nicht offenkundig und nur einem eng begrenzten Personenkreis bekannt sind, nach dem bekundeten Willen des "Betriebsinhabers" geheim gehalten werden sollen und an deren Geheimhaltung der "Betriebsinhaber" ein berechtigtes wirtschaftliches Interesse hat.
Gemäß der Legaldefinition aus § 2 Nr. 1 GeschGehG wird künftig unter einem Geschäftsgeheimnis eine Information verstanden, die
- weder insgesamt noch in der genauen Anordnung und Zusammensetzung ihrer Bestandteile den Personen in den Kreisen, die üblicherweise mit dieser Art von Informationen umgehen, allgemein bekannt oder ohne Weiteres zugänglich ist und
- daher von wirtschaftlichem Wert ist,
- die Gegenstand von den Umständen nach angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen durch ihren rechtmäßigen Inhaber ist und
- bei der ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung besteht.
Übersicht: Definition Geschäftsgeheimnis alt/neu
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vor Inkrafttreten des GeschGehG |
jetzt |
Unterschied |
1. |
Betriebs-/Geschäftsgeheimnis |
Geschäftsgeheimnis |
kein Unterschied |
2. |
Information |
Tatsache |
wohl kein wesentlicher Unterschied |
3. |
Geheimhaltungsinteresse |
wirtschaftlicher Wert erforderlich |
ggf. kein Schutz potenziell schädigender Informationen mehr? |
4. |
Wille zur Geheimhaltung |
angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen erforderlich |
objektive Maßnahme statt subjektivem Willen: Schutzmaßnahmen notwendig |
5. |
ggf. Vermutung des Geheimhaltungswillens "aus der Natur der Sache" (teilweise Rechtsprechung) |
entfällt |
aktive Schutzmaßnahmen erforderlich |
Eine wesentliche inhaltliche Neuerung besteht darin, dass der Betriebsinhaber als zusätzliche Voraussetzung angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen, d. h. aktive Schutzmaßnahmen, treffen muss, damit überhaupt ein schützenswertes Geschäftsgeheimnis entsteht. Dafür ist jedoch andererseits der Wille zur Geheimhaltung nicht mehr ausdrücklich erforderlich. Der Geheimhaltungswille wird aber in der Praxis bei entsprechenden Geheimhaltungsmaßnahmen ohnehin gegeben sein. Im Ergebnis wird also das subjektive Element durch eine objektive, weitergehende Voraussetzung ersetzt. Zudem muss ein Geschäftsgeheimnis einen wirtschaftlichen Wert haben. Im Ergebnis ohne Auswirkung ist dagegen, dass die Unterscheidung zwischen Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen aufgegeben wird, da das "Geschäftsgeheimnis" als Oberbegriff auch Betriebsgeheimnisse erfasst.
Geheimnisschutzsystem implementieren
Auf die Einhaltung angemessener Geheimhaltungsmaßnahmen muss im Bereich HR vor allem bei der Erstellung von Arbeitsverträgen und im Bereich des Informationsaustauschs mittels eines einzuführenden Geheimnisschutzsystems geachtet werden. Dabei ist es gute Praxis, eine Klassifizierung von Informationen nach dem erforderlichen Schutzniveau vorzunehmen. Vielfach befürwortet wird eine 3- oder 4-geteilte Klassifizierung, z. B. nach den Kategorien / Schutzstufen "öffentlich", "intern", "vertraulich" und "streng vertraulich".
Neben Aspekten des Geheimnisschutzes sollten bei der Klassifizierung auch Datenschutzgesichtspunkte eine Rolle spielen, etwa ob es sich um besondere Kategorien personenbezogener Daten i. S. v. Art. 9 Abs. 1 DSGVO oder eine durch ein Berufsgeheimnis geschützte Informationen handelt.
Weitere Auswirkungen ergeben sich für den Whistleblowerschutz sowie das vorher umstrittene "Reverse Engineering", auf deutsch "Nachkonstruktion", das nach dem GeschGehG grundsätzlich zulässig ist.
Am 2.7.2023 ist zudem das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) in Kraft getreten. Dieses Gesetz setzt erstmals einheitlich höhere Standards für den Whistleblowerschutz, erlaubt dem Hinweisgeber unter bestimmten Voraussetzungen die Weitergabe von Informationen und beeinflusst daher auch den Schutz von Geschäftsgeheimnissen.